BFH-Urteil bedroht Finanzvertriebe

Gerichtsentscheid trifft möglicherweise MLP und AWD · Finanzämter schon tätig

Von Herbert Fromme, Köln Die großen Finanzvertriebe MLP und AWD müssen wegen eines Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Umsatzsteuerpflicht möglicherweise ihre Geschäftsmodelle ändern. Laut dem Entscheid sind 16 Prozent Umsatzsteuer auf Provisionseinnahmen für Kreditvermittlung fällig. Die direkt für Fonds, Banken oder Versicherer arbeitenden Vertreter sind von dem Urteil nicht betroffen.

Zwar sind nach Paragraph 4 des Umsteuergesetzes Provisionszahlungen unter anderem für die Vermittlung von Versicherungen, Krediten, Wertpapieren und Grundstücken umsatzsteuerfrei. Aber am 9. Oktober 2003 entschied der BFH unter dem Aktenzeichen V R5/03, dass dies nicht für Kreditvermittler gilt, die selbst nur für andere Vermittler tätig sind – also als selbstständige Subunternehmer arbeiten. Der BFH entschied über die Klage eines selbstständigen Handelsvertreters gegen das Finanzamt. Der Hintergrund: Der Mann war als Vermittler für einen Finanzvertrieb tätig und verkaufte Kredite verschiedener Banken. Dafür erhielt der Vertrieb Provisionen, Anteile gab er an den Vertreter weiter. Das Finanzamt verlangte nach einer Betriebsprüfung die Abführung von Umsatzsteuer auf die Provisionsanteile. Dagegen klagte der Vertreter. Das Finanzgericht Brandenburg gab ihm zunächst Recht. Der BFH hob die Entscheidung in letzter Instanz auf.

Die Umsatzsteuerpflicht gilt nach Ansicht des Düsseldorfer Fachanwalts Alexander Ressos aus der Sozietät Söffing & Partner nicht nur für die Vermittlung von Krediten, sondern auch bei Wertpapieren und Beteiligungen, also Aktien und geschlossenen Investmentfonds. Umstritten sei dagegen noch, ob auch Versicherungs- und Bausparverträge betroffen sind. Für sie sieht das Umsatzsteuergesetz weitergehende Ausnahmeregeln vor. „Die Frage ist, ob diese abweichende Behandlung weiter bestehen kann“, sagte Ressos.

„Für Provisionseinnahmen aus Fonds verlangen Finanzämter bereits Umsatzsteuer von Vermittlern der Vertriebe“, sagte der Münchener Unternehmensberater Wolfgang Warth, der sich auf Finanzdienstleister spezialisiert hat. „Es soll auch bereits Fälle geben, bei denen die Finanzämter Umsatzsteuer auf Provisionen für fondsgebundene Lebensversicherungen gefordert haben.“

Die Umsatzsteuerpflicht würde die Gewinne der Vertriebe deutlich schmälern. Das Einkommensniveau vieler Vertreter ist ohnehin nicht sehr hoch. Aus diesem Grund werden die Vertriebe die Steuer kaum auf ihre Mitarbeiter abwälzen können. „Es besteht heute eine grundsätzlich neue Situation für Vermittler von Finanzvertriebsgesellschaften“, sagt Warth. „Bei allen strukturierten Vertriebssystemen wird die Umsatzsteuer auf allen Vermittlerebenen zum Kostenfaktor.“ Betroffen sind nur Vertriebe, die selbstständige Vertreter beschäftigen.

Eine Sprecherin des Marktführers MLP sagte, das Unternehmen prüfe die Folgen des BFH-Urteils. Ähnlich äußerte sich ein AWD-Sprecher. „Wir sehen aber bisher keinen Grund zur Besorgnis“, sagte er weiter.

Eine steuerfreie Kreditvermittlung liege nur dann vor, wenn ein Vertrag zwischen dem betroffenen Vermittler und entweder dem Kreditnehmer oder Kreditgeber vorliege. „Danach reicht es nicht aus, wenn der Vermittler im Auftrag eines Dritten zwei andere Parteien zu einem Kreditvertrag bewegt“, erläuterte Anwalt Ressos, der zusammen mit Warth den Fall aufgearbeitet hat. Ressos und Warth glauben, dass die Vertriebe ihre Geschäftsmodelle weitreichend verändern müssen, wenn sie der Umsatzsteuerpflicht entgehen wollen.

„Viele Vermittler bereiten jetzt ohnehin ihre Umsatzsteuererklärungen vor. Nach dem Urteil müssen sie Steuern auf ihre Provisionseinnahmen zahlen“, sagte Warth. „Unterlassen sie das, kann das strafbar sein.“

Zitat:

„Die Vermittler müssen Umsatzsteuer auf Provisionen zahlen“ – Berater Wolfgang Warth

Quelle: Financial Times Deutschland

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