Lebensversicherer kämpfen um Steuerprivileg

Die Sorgen der Branche gehen weit darüber hinaus · Deutsche Modelle mit Zinsgarantien auf dem Prüfstand

Von Herbert Fromme Nach drei Jahren Börsenkrise hätten die deutschen Lebensversicherer eigentlich Grund zum Aufatmen. Der Großteil der Milliardenverluste, die ihnen der Verfall der Aktienkurse bereitet hat, sind in den Bilanzen verdaut. Das Neugeschäft läuft ausgezeichnet. Aber die langfristigen Folgen des Crashs sind noch nicht ausgestanden, Sorgen machen auch die Steuerpläne der Bundesregierung.

„Die Lebensversicherung hat sich als beeindruckend krisenfest gezeigt“, sagte Bernhard Schareck, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Die Branche steigerte ihr Neugeschäft 2003 um 19 Prozent auf 17,5 Mrd. Euro – gemessen in Neugeschäftsprämien. Makler, Vertreter und Vertriebe setzten 9,5 Millionen Policen ab.

Aber der boomenden Kapitallebensversicherung droht Ungemach, falls der Entwurf der Bundesregierung für das Alterseinkünftegesetz Wirklichkeit wird. Danach sollen die Versicherten die – zurzeit steuerfreien – Erträge aus Policen bei Kapitalzahlung mit ihrem individuellen Steuersatz versteuern. Das wäre „völlig unsinnig“, sagt Gerhard Rupprecht, Chef von Allianz Leben. Die Kapitallebensversicherung sei ein „millionenfach bewährtes Produkt“.

Steuerlich gefördert werden sollen nach Ansicht der Bundesregierung nur noch die so genannte Riester-Rente und eine neue, streng regulierte Leibrentenversicherung. Dabei geht nach dem Tod das Kapital verloren, die Police kann nicht vererbt oder übertragen werden. Nach Rupprechts Meinung wird sie sich „nicht verkaufen lassen“. Inzwischen gibt es erste Anzeichen, dass die rot-grüne Regierungskoalition in dieser Frage nachgibt. „Wir möchten das Alterseinkünftegesetz ohne ein Vermittlungsverfahren von Bundestag und Bundesrat über die Bühne bringen“, kündigte Christine Scheel an, die finanzpolitische Sprecherin der Grünen. Die Unionsmehrheit im Bundesrat lehnt es ab, das Steuerprivileg von Kapitallebensversicherungen ab 2005 generell abzuschaffen. Auch aus der SPD-Fraktion sind versöhnlichere Töne zu hören.

Kurioserweise herrscht in der Branche über diese Entwicklung nicht nur Freude. Einige Manager machen sich grundsätzlich Sorgen wegen des deutschen Modells der Lebensversicherung und dringen auf Änderungen. So mancher hatte gehofft, dass über die Abschaffung des Steuerprivilegs auch der Kernpunkt des Modells – die Zinsgarantien von zurzeit 2,75 Prozent – gekippt würde. Denn diese Garantie verursacht im gegenwärtigen Finanzumfeld große Probleme: Seit Anfang der 90er Jahre sinken die Zinsen für festverzinsliche Anlagen, auf die weit mehr als 80 Prozent der Kapitalanlagen der Lebensversicherer entfallen. Heute können sie für viele langfristige Anleihen nur noch 3,3 Prozent erzielen. Sie haben ihren Kunden in der Vergangenheit aber Garantien von bis zu vier Prozent über die gesamte Laufzeit gegeben.

Die Einnahmen aus den Kapitalanlagen bieten kaum Erleichterung. Erstens schwanken sie heftig. Zweitens haben nach dem Börsencrash viele die Aktienquote heruntergefahren – die Branche hat heute nur noch acht bis neun Prozent der Kapitalanlagen in Höhe von 615 Mrd. Euro in Aktien, vor drei Jahren waren es mehr als 20 Prozent. Dazu kommt die Vorschrift, dass Lebensversicherer mindestens 90 Prozent der Kapitalerträge an die Kunden weitergeben müssen, die Aktionäre erhalten maximal zehn Prozent.

All das macht das Produkt in den Augen der großen Versicherer, die meistens als Aktiengesellschaften organisiert sind, zunehmend unattraktiv – vor allem im Vergleich mit anderen Geschäftsfeldern. Das wird umso mehr der Fall, wenn verschärfte Anforderungen an das Eigenkapital unter den so genannten Solvency-II-Regeln in Kraft treten.

In der Assekuranz ist es zum handfesten Streit gekommen. Vor allem die Unternehmen Münchener Rück und Allianz dringen auf eine Aufhebung der 90/10-Regel. Andere würden am liebsten das ganze Garantiesystem in der jetzigen Form abschaffen. Kleinere Gesellschaften, meist Versicherungsvereine ohne Aktionäre, wollen das bisherige Modell beibehalten und leisten Widerstand. Klar ist: So wie sie ist, wird die Lebensversicherung nicht bleiben.

Bild(er):

Mit einer Lebensversicherung wollen viele die Basis für einen sorgenfreien Ruhestand schaffen, der ihnen etwa Entspannung im Liegestuhl am Strand ermöglicht – Gettyimages

Quelle: Financial Times Deutschland

Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.

Diskutieren Sie mit