Neuer internationaler Rechnungslegungsstandard erhöht lediglich Volatilität des Eigenkapitals · Interview mit Joachim Kölschbach
Von Herbert Fromme, Köln Die neuen Regeln für die Rechnungslegung der Versicherer, die heute in London veröffentlicht werden sollen, werden spürbare Auswirkungen auf viele deutsche Gesellschaften haben. Ihre Geschäftsmodelle werden sie jedoch nicht grundsätzlich in Frage stellen, sagte Joachim Kölschbach, Partner in der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, der FTD.
„Die Eigenkapitalsituation der Versicherer wird volatiler. Aber ansonsten sind die Konsequenzen für die deutschen Gesellschaften begrenzt.“ Ohnehin sei die größte Sorge der Assekuranz zunächst gegenstandslos: „Die volle Zeitwertbilanzierung aller Versicherungsverträge wird jedenfalls jetzt nicht eingeführt.“ Das International Accounting Standards Board (IASB) wird heute erstmals den International Financial Reporting Standard 4 (IFRS 4) für Versicherungsverträge veröffentlichen. Bisher gab es solche Regeln nicht.
„Der Hauptunterschied zum bisherigen Vorgehen nach dem deutschen Handelsgesetzbuch liegt in der unterschiedlichen Behandlung der Aktiv- und der Passivseite in der Versicherungsbilanz“, sagte Kölschbach. Auf der Aktivseite müssen die Versicherer künftig den Zeitwert von Kapitalanlagen zeigen, nicht wie bisher den fortgeführten Anschaffungswert. Auf der Passivseite, das sind in erster Linie die Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden, werden aber weiter Nominalwerte angesetzt – die Zinsen, die bis zur Fälligkeit der Forderung auf diese Summen verdient werden, rechnen die Gesellschaften nur zum Teil ein. „Das IASB erlaubt zwar den Unternehmen, die Rückstellungen zum Marktzins abzuzinsen“, sagte Kölschbach. „Aber wir glauben, dass das nur wenige deutsche Versicherer machen werden.“
Die unterschiedliche Behandlung von Aktiv- und Passivseite führt zu merkwürdigen Diskrepanzen. Wenn beispielsweise die Zinsen um zwei Prozent steigen, müssen die Versicherer Abschreibungen auf ihre festverzinslichen Anleihen mit niedrigeren Zinsen vornehmen. Auf der Passivseite ändert sich aber nichts. „Die Abschreibung schlägt sich dann in einem verringerten Eigenkapital der Versicherer nieder“, sagte der KPMG-Experte.
Der IFRS 4 muss von börsennotierten und anderen kapitalmarktorientierten Unternehmen für den Jahresabschluss 2005 eingesetzt werden. „Es handelt sich im wesentlichen um eine Übergangsregel“, sagte Kölschbach. Der eigentliche Wechsel zu neuen Grundlagen in der Rechnungslegung werde erst in einer nächsten Phase kommen, die frühestens 2009 Anwendung findet.
Quelle: Financial Times Deutschland
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