Seit rund fünf Jahren ist Hans-Peter Fischer auf der Suche. Dabei hat der 61-Jährige schon mit bundesweiten Zeitungsannoncen sowie auch über Internet-Kontaktbörsen auf sich aufmerksam gemacht. Doch er findet einfach niemand, der fähig wäre, seinen Platz als Chef des 15 Mann starken Brandenburger Messtechnik-Unternehmens „Fischer Elektronik“ einzunehmen. Mit seinem Problem, einen Nachfolger zu finden ist der Firmenchef nicht allein. Laut einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn steht jährlich bei 71 000 Familienunternehmen ein Generationswechsel an, was rund 907 000 Beschäftigte betrifft. Nur in knapp der Hälfte der Fälle findet sich ein Nachfolger innerhalb der Familie, ungefähr 5 000 Unternehmen pro Jahr werden aber mangels Junior-Chef stillgelegt.
„Viele Sprösslinge von Familienunternehmen wollen lieber etwas Neues ausprobieren, anstatt im alten Trott weiterzumachen“, erklärt der Existenzgründungsexperte des Deutschen Industrie-und Handelskammertags (DIHK), Marc Evers, das mangelnde Interesse der potenziellen Nachfolger. Hinzu komme, dass ein Großteil angesichts des schlechten konjunkturellen Umfelds auch das Risiko scheuen würde, das ein eigenes Unternehmen mit sich bringt und sich der Tätigkeit nicht gewachsen fühle.
Firmenchef Hans-Peter Fischer macht dafür vor allem die Universitäten verantwortlich. „Sie produzieren überwiegend für den Angestelltensektor“, sagt Fischer. Denn fachlich wären die rund 40 Ingenieure, die sich in den letzten Jahren um seine Nachfolge beworben hätten, hochqualifiziert gewesen. Allerdings hapere es an den kaufmännischen Grundkenntnissen und am unternehmerischen Denken.
Defizite was das Führungs-Know-How angeht, stellte auch Thomas Bernecker, angehender Chef der nordrhein-westfälischen Rohrbefestigungstechnik GmbH, bei sich fest. „Ich merkte, dass ich mehr Basiswissen brauchen würde, wenn ich eines Tages ohne meinen Vater auskommen will“, sagt der Maschinenbauer. Um für die Nachfolge fit zu werden, setzt sich der 34-Jährige einmal die Woche in den ICE und fährt ins dreieinhalb Stunden entfernte Pforzheim. Dort nimmt Bernecker an Deutschlands erstem berufsbegleitenden Studiengang für Unternehmensnachfolger teil, der Ende September 2003 an der örtlichen Hochschule gestartet ist. Zusammen mit seinen acht Kommilitonen büffelt er Betriebswirtschaftslehre, Steuer-und Wirtschaftsrecht, Technik und Informatik, Entrepreneuership sowie Managementgrundlagen. Statt sich wie in herkömmlichen Studiengängen abstrakt mit den Fächern zu beschäftigen, bringen die Nachfolger Beispiele aus ihren Unternehmen mit, die in der Gruppe besprochen werden. Dieser Erfahrungsaustausch ist Bernecker sehr wichtig. „Das Vertrauen in der Gruppe ist so groß, dass man auch keine Hemmungen hat, die eigene Bilanz vor allen anderen zu zerpflücken“, sagt er.
Planspiele
Zu den fachlichen Inhalten des Studiengangs kommen ebenfalls noch Praxiseinheiten, wo die Fertigkeiten der angehenden Unternehmer in Bereichen wie Mitarbeiter-Motivation und Konfliktmanagement aber auch Konversation und Etikette im Geschäftsleben geschult werden. In Planspielen gründen die Studenten Unternehmen, die sie durch mehrere Geschäftsjahre führen. Sie müssen entscheiden, wie teuer sie ihre Produkte verkaufen wollen, wie viele Mitarbeiter sie einstellen und wie viel sie für Werbung und Forschung ausgeben wollen. Der Computer simuliert dann die Folgen der Entscheidungen, die auch ein Zusammenbruch des Geschäfts sein können. „Besser die Nachfolger gehen hier insolvent als in der Realität“, sagt Projektmanagerin Barbara Burkhardt-Reich.
Rund 15 Monate dauert der Teilzeit-Studiengang, den die Nachfolger jeweils von Donnerstag bis Samstag besuchen und mit einer Abschlussarbeit über ihr Unternehmen beenden. Semesterferien gibt es keine. Zudem sind die meisten Studenten auch den Rest der Woche in ihren Unternehmen voll eingespannt. Doch auch hier sieht Burkhardt-Reich einen Lerneffekt: „Die Nachfolger können schon mal austesten, was für Belastungen später auf sie zukommen“. Damit der Stress aber nicht ausufert, gibt es zu Studienbeginn ein Zeitmanagement-Seminar.
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Quelle: Financial Times Deutschland
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