PKV-Branche geht politisch in die Offensive

Private Krankenversicherer bieten Berlin Basismodell und leichteren Wechsel an · Bestandsgarantie gefordert

Von Ilse Schlingensiepen, Berlin Mit einem Befreiungsschlag wollen sich die Privaten Krankenversicherer (PKV) aus der politischen Defensive manövrieren. Ihr gestern vorstelltes „Zukunfts-Konzept“ ist die Antwort auf die Pläne der SPD zur Einführung der Bürgerversicherung und die Vorstellungen von CDU/CSU für eine Kopfpauschale. Beide Vorhaben stellen die PKV in ihrer jetzigen Form in Frage. Anstelle einer derartigen Umwälzung sei eine Weiterentwicklung des bestehenden Systems notwendig, sagte PKV-Verbandschef Reinhold Schulte gestern auf der Jahrestagung in Berlin. Die PKV habe jetzt gezeigt, dass dies machbar sei.

Die Branche steht verstärkt unter Druck von Politikern, Wissenschaftlern und Verbraucherschützern. Sie werfen der PKV vor allem zwei Dinge vor: Da Kunden bei einem Wechsel des Versicherers die angesparten Alterungsrückstellungen verlieren, wird ein solcher Schritt mit zunehmendem Alter immer schwieriger. Das schränkt den Wettbewerb ein. Außerdem gilt die PKV vielen als unsolidarisch, da sich die Prämien nach Alter und Gesundheitszustand der Versicherten richten und sich der Übergang von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die PKV lediglich für Gesunde lohnt.

Dieser Kritik will die PKV jetzt den Boden entziehen. „Wir haben das in einem internen Reformprozess, an dem sich die gesamte Branche ohne Ausnahme beteiligt hat, aufgegriffen“, sagte Schulte. SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter reagierte positiv: „Ein solches Modell werden wir mit großem Interesse prüfen, zeigt es doch, dass in der PKV ein Umdenken angefangen hat.“

Grundlage des neuen Konzepts ist die Einführung eines Basisschutzes für alle freiwilligen Mitglieder der gesetzlichen Kassen bis zum 55. Lebensjahr – mit Annahmezwang für die PKV-Gesellschaften und ohne Risikoprüfung. Daneben bietet die PKV jedem Kassenmitglied, dessen Monatseinkommen über die Versicherungspflichtgrenze von 3862 Euro steigt und das damit freiwillig versichert ist, innerhalb von sechs Monaten den Wechsel in einen regulären privaten Tarif. Dabei wird eine Risikoprüfung vorgenommen, der Risikozuschlag aber auf 30 Prozent beschränkt. Das würde auch für schwer Kranke bezahlbar sein.

„Das ist ein bedeutender Vorschlag zur Entlastung der GKV und zur weiteren Übernahme solidarischer, gesamtgesellschaftlicher Verpflichtungen durch die PKV“, sagte Schulte. Um dem gerecht werden zu können, benötige die PKV aber die Zusage, weiterhin in der Vollversicherung tätig sein zu können. Für Schulte bedeutet das auch eine Absenkung der Versicherungspflichtgrenze.

Insgesamt sind zurzeit gut neun Millionen Personen freiwillig in der GKV versichert, die PKV hat 8,1 Millionen Vollversicherte – rund die Hälfte davon Beamte. Freiwilligen Kassenmitgliedern soll das neue Modell den Übertritt in die PKV erleichtern.

„Die PKV beweist, dass sie reformfähig ist“, sagte der Vorstandsvorsitzende des deutschen Marktführers Debeka, Uwe Laue. Dieses Signal der Branche könne die Politik nicht ignorieren. „Es wird schwieriger, uns jetzt bei der politischen Diskussion außen vor zu lassen“, sagte Günter Dibbern, Chef der Ergo-Tochter DKV. Trotz des Angebots der PKV, sich auch für kranke Versicherte zu öffnen, erwartet Dibbern keine deutliche Belastung des Prämienniveaus. „Wir setzen auf eine vernünftige Risikomischung.“

Die 49 privaten Krankenversicherer verbuchten 2003 insgesamt 24,7 Mrd. Euro an Prämieneinnahmen, 7,2 Prozent mehr als 2002. Für Versicherungsleistungen inklusive der Schadenregulierungskosten gaben die Unternehmen 15,8 Mrd. Euro aus, 4,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Verwaltungskosten der PKV-Unternehmen stiegen nach vorläufigen Zahlen von 760 Mio. Euro auf 800 Mio. Euro. Die Abschlusskosten – also die Ausgaben für den Neuabschluss und die Umstellung von Verträgen – beliefen sich auf 2,3 Mrd. Euro, ein Anstieg um rund 0,8 Prozent.

Bild(er):

Antragsformulare privater Versicherer. 49 Unternehmen sind im Markt – Action/Freeman

Leitartikel Seite 31

Quelle: Financial Times Deutschland

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