Von Herbert Fromme, Köln Trotz der großen Probleme der Rückversicherungsgruppe Converium durch Altlasten aus US-Haftpflichtverträgen gab sich die Branche gestern gelassen. Die Stärkung von Schadenreserven gehört gerade im volatilen Haftpflichtgeschäft schon fast zum Alltag. Über die Tiefe des Lochs in der Converium-Bilanz machen sich Branchenbeobachter aber Gedanken. „Das ist wirklich eine böse Überraschung“, sagte Analyst Frank Stoffel von der WestLB. „Die meisten Rückversicherer haben in den letzten Quartalen für ihr US-Geschäft Nachreservierungen vorgenommen, das aber in der Regel gut verdaut und trotzdem Gewinne gezeigt“, sagte Stoffel.
Besonders problematisch: Converium muss möglicherweise noch mehr als die gestern genannten 400 Mio. Euro aufbringen. Diese Zahl beruht auf internen Prüfungen. Eine unabhängige Beratungsfirma soll jetzt die Bücher durchforsten. Das könnte zu weiteren Belastungen führen.
Probleme hat die Gruppe mit Altlasten aus so genannten Umbrella-Policen, die mehrere Haftpflichtrisiken wie Kfz oder Produkthaftung bündeln. Dazu kommen Baumängeldeckung und Berufshaftung, zum Beispiel für Ärzte und Krankenhäuser. Die Arbeiterunfallversicherung oder Workers‘ Compensation, sonst immer ein Grund für zusätzliche Rückstellungen, spielt bei der Converium diesmal keine Rolle.
Converium-Konkurrenten sprachen von möglichen Mängeln im Schadenablauf-Modell der Gesellschaft. Solche Modelle berechnen auf Grund der Schadenerfahrung der ersten Jahre den möglichen künftigen Schadenbedarf – und damit die nötige Höhe der Reserven.
Die Münchener Rück hat in den letzten drei Jahren die Reserven ihrer US-Tochter American Re um mehr als 3 Mrd. Euro gestärkt. Es werde „keine Überraschungen“ geben, wenn das Unternehmen am 6. August seine Halbjahreszahlen vorlegt, sagte ein Sprecher. Hannover Rück, die Nummer vier in der Welt, sieht nach Angaben einer Sprecherin keine Notwendigkeit für eine solche Maßnahme. Auch die Gen Re, die 2003 noch erheblich nachreservierte, sieht für 2004 keinen hohen neuen Bedarf.
Die Globale Rück – früher Gerling Globale – befindet sich in Abwicklung. Auch sie hat erhebliche US-Risiken. „Wir haben 2003 unsere Reserven um 150 Mio. Euro verstärkt, 2004 bisher um 40 Mio. Euro“, sagte ein Sprecher. Auf keinen Fall gehe es um Größenordnungen wie bei Converium.
Für Converium hat das Problem erhebliche Konsequenzen. Das Unternehmen wird 2004 wahrscheinlich mit einem Verlust beenden. Die Rating-Agentur Standard & Poor’s reduzierte gestern das Rating von „A“ auf „A-„. Beides trägt nicht dazu bei, dass die Erstversicherer, die Kunden der Rückversicherer, in den ab September beginnenden Vertragsverhandlungen für 2005 zu Converium strömen werden.
Außerdem muss sich Konzernchef Dirk Lohmann Gedanken darüber machen, wie er die Kapitalausstattung wieder auf eine solide Basis stellt – sonst könnte das Rating noch schlechter werden. „Wir haben eine ganze Palette von Möglichkeiten“, sagte er der FTD. Dazu gehöre eine Kapitalerhöhung „im dreistelligen Millionenbereich“, aber auch die Freisetzung von Risikokapital. So könne man sich eine Änderung in der Anlagepolitik vorstellen, beispielsweise eine Reduzierung des Aktienbestandes. Dann wird dafür weniger Risikokapital benötigt. „Wir können auch bestimmtes Geschäft aufgeben und unsererseits Rückdeckung kaufen“, sagte Lohmann.
Quelle: Financial Times Deutschland
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