Hannover Rück senkt Gewinnprognose

Rückversicherer unterschätzt Wirbelsturmschäden · Unternehmenschef Zeller kämpft um Vertrauen der Anleger

Von Herbert Fromme, Köln Der viertgrößte Rückversicherer der Welt, Hannover Rück, hat die Auswirkungen der vier schweren Wirbelstürme in den USA und zwei Taifune im Pazifik unterschätzt. Das Unternehmen musste gestern nun doch seine Gewinnerwartung für 2004 auf 300 Mio. Euro reduzieren, versprach aber eine höhere Dividende als im Vorjahr.

Nachdem die Aktie im Laufe des Tages zwischenzeitlich um knapp sechs Prozent eingebrochen war, beendete der MDax-Wert trotz Verkaufsempfehlungen mehrerer Analysten den Handel mit einem Plus von 1,8 Prozent auf 25,45 Euro. Auffällig war der hohe Umsatz: Mehr als 2,3 Millionen Stück wurden gehandelt, etwa siebenmal so viel wie der durchschnittliche tägliche Umsatz in den vergangenen sechs Monaten.

Lange Zeit hatte Unternehmenschef Wilhelm Zeller am Gewinn „zwischen 390 Mio. Euro und 430 Mio. Euro“ festgehalten. Er schulde dafür Anlegern und Analysten „eine Art Entschuldigung“, sagte Zeller gestern bei einer Telefonkonferenz. Das Unternehmen habe Anleger irritiert, indem es nach dem Wirbelsturm „Ivan“ weiter davon ausging, dass es die 390 Mio. Euro erzielen könne. „Wir waren da etwas zu optimistisch“, räumte Zeller ein.

Die Hannover Rück erwartet Schäden von 340 Mio. Euro für eigene Rechnung aus den Sturmschäden an den Atlantik- und Pazifikküsten. „Das ist nur wenig niedriger als unser Gesamtschaden aus dem World Trade Center im Jahr 2001, der bei 400 Mio. Euro lag“, sagte Zeller. Der Gesamtschaden für alle Versicherer werde auf bis zu 40 Mrd. $ geschätzt, damit handele es sich um den größten versicherten Schaden aller Zeiten, erklärte er.

Mehr als 340 Mio. Euro werden aber nicht auf das Unternehmen zukommen. Denn alle Schäden, die darüber liegen könnten, werden durch Schutzdeckungen der Hannover Rück bei anderen Rückversicherern aufgefangen. Die Dividende soll höher ausfallen als die 0,95 Euro im Vorjahr.

Auch andere Rückversicherer hatten vor kurzem hohe Belastungen durch die Wirbelstürme bekannt gegeben. Marktführer Münchener Rück geht von 500 Mio. Euro für eigene Rechnung aus, die es laut Vorstand Stefan Heyd „deutlich schwerer machen“, das angestrebte Ergebnis von 2 Mrd. Euro zu erzielen. Die Swiss Re erwartet 750 Mio. $ an Schäden.

Obwohl Zeller also in guter Gesellschaft ist, kann er nicht zufrieden sein. Das gestrige Einknicken nach dem langen Festhalten am ursprünglichen Gewinnziel beschädigt seine Glaubwürdigkeit. Die gehört aber zu den wichtigsten Aktivposten des Unternehmens, das unter Zellers Führung einen starken Aufschwung nahm und bei Analysten und Anlegern beliebt ist – eine Zuneigung, die der Hannover-Rück-Chef sehr bewusst pflegt. Wie schnell ein Rückversicherer die Unterstützung der Kapitalmärkte verlieren kann, zeigte sich in den letzten Wochen beim Konkurrenten Converium, der nach der Entdeckung von Löchern in den Reserven für frühere Jahre ins Schlingern geriet. Die Converium-Aktie verlor mehr als 60 Prozent, der Versicherer ringt immer noch um seine Existenz.

Zeller bot eine Reihe von Erklärungen für seine Fehleinschätzung der letzten Wochen an. „Ein Grund besteht darin, dass ,Jeanne‘ den Weg von ,Charley‘ gekreuzt hat“, sagte er. Versicherte in Florida müssten pro Ereignis mindestens zwei Prozent des Schadens als Selbstbehalt zahlen. Deshalb gebe es bei ihnen den Trend, den Gesamtschaden nur auf einen Sturm zu schieben.

Die Sturmverluste kommen für die Hannover Rück aus zwei Quellen: Sie deckt als Rückversicherer Teile der Risiken von Erstversicherern. Das Unternehmen ist aber auch als Erstversicherer in den USA tätig. Die Tochter Clarendon deckt spezifische, in der Regel schwer zu versichernde Risiken. Dazu gehören etwa die anfälligen Mobile Homes und andere Gebäude. Clarendon wiederum sucht sich für einen Teil des Risikos Rückdeckungen bei Rückversicherern.

„Vier Großschäden kurz hintereinander, das ist der Worst Case für Clarendon“, sagte Zeller. Denn das Unternehmen müsse pro Großschaden bis zu 60 Mio. $ selbst zahlen, der Rest ist rückversichert. Jetzt aber kommen vier Schäden zusammen – und damit viermal der Selbstbehalt. Zwar gibt es auch dafür bestimmte Begrenzungen durch separate Rückversicherungsprogramme, aber ein Verlust von 120 Mio. $ im Eigenbehalt bleibt für Clarendon.

Bild(er):

Milliardenschäden: Hurrikan „Charley“, hier die Verwüstungen bei Punta Gorda in Florida, und drei weitere Stürme belasten die Versicherungsbranche – AP/Orlando Sentinel/Gary W. Green

Quelle: Financial Times Deutschland

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