Vorstand und Aufsichtsrat gehen · Versicherung gegen Managerhaftung wäre zu teuer
Von Herbert Fromme, Köln, und Martin Virtel, Hamburg Vorstand und Aufsichtsrat des defizitären Heidelberger Softwareunternehmens Lion Bioscience sind gestern zurückgetreten. Es sei nicht mehr möglich gewesen, eine wirtschaftlich vertretbare Managerhaftung (Directors‘ & Officers‘ Liability oder D&O) abzuschließen, teilte das Unternehmen gestern mit. „Vorstand und Aufsichtsrat waren nicht bereit, ohne eine Fortführung der D&O ihre Aufgaben fortzuführen“, sagte ein Unternehmenssprecher.
Das Unternehmen bietet Software für die Forschung der Chemie- und Pharmabranchen an. Die Vorstandsmitglieder Daniel Keesmann und Martin Hollenhorst waren erst seit Anfang des Jahres im Amt. Der neue, nicht versicherte Vorstand besteht aus den Lion-Managern Joseph Donahue und Thure Etzold.
Auch alle drei Aufsichtsräte traten zurück – Jürgen Dormann, früher Aventis-Chef und jetzt Konzernchef bei ABB, Ex-Schering-Finanzvorstand Klaus Pohle und der frühere Microsoft-Manager Richard Roy.
Die Aktie des Unternehmens verlor 6,5 Prozent auf 1,15 Euro. Eine Sprecherin betonte, die Rücktritte würden die Aussichten des Unternehmens auf eine positive Geschäftsentwicklung nicht verändern. „Wir verfügen über 33 Mio. Euro Cash und haben weiterhin das Ziel, im vierten Quartal den Cash-Breakeaven zu erreichen“. Im Ende Juni abgeschlossenen ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres hatte Lion den Nettoverlust auf 2,6 Mio.Euro beinahe halbiert, der Umsatz nahm jedoch auf 4 Mio. Euro von 5,5 Mio. Euro im Vorjahreszeitraum ab.
D&O-Deckungen schützen Manager und Aufsichtsräte nach Fehlern vor Ansprüchen Dritter oder des eigenen Unternehmens. Die Preise haben in den letzten Jahren stark angezogen, vor allem bei Unternehmen, die in den USA produzieren oder dort an der Börse präsent sind. Lion Bio-science ist an der Technologiebörse Nasdaq gelistet. Versicherer fürchten teure Sammelklagen in den USA.
Die D&O-Police von Lion Bioscience läuft heute aus. Zuletzt hatte das Unternehmen 550 000 Euro im Jahr für eine Versicherungssumme von 5 Mio. Euro gezahlt – vor vier Jahren lag die Prämie noch bei 150 000 Euro. Versicherer war die US-Gesellschaft American International Group (AIG). Jetzt habe AIG für eine schlechtere Deckung rund 800 000 Euro verlangt, hieß es in Assekuranzkreisen. Der Versicherungsmakler Gebrüder Krose in Bremen suchte für Lion Bioscience vergeblich eine günstigere Deckung.
Die D&O-Versicherer müssen derzeit eine Reihe von Großschäden verdauen. Lufthansa verlangt 250 Mio. Euro wegen Fehlern bei Catering-Verträgen, DaimlerChrysler beanspruchte 200 Mio. $ nach Äußerungen des Konzernchefs Schrempp zur Chrysler-Übernahme, die zu Zahlungen an Aktionäre führten. Dabei nehmen die D&O-Versicherer zusammen nur etwa 300 Mio. Euro Prämie im Jahr ein.
Quelle: Financial Times Deutschland
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