Hoffnungen auf rasche Preissenkungen werden enttäuscht · Finanzielle Sicherheit steht bei den Kundenwünschen obenan
Von Herbert Fromme Wilfried Müller ist ein bekannter Rückversicherungsmanager. Als Chef der Gothaer Rück war er regelmäßig bei den großen Branchentreffen in Monte Carlo und Baden-Baden. Ab sofort kommt Müller nicht mehr in dieser Rolle. Das Unternehmen wurde geschlossen – obwohl es Gewinn machte und bei kleinen Erstversicherern beliebt war.
Gothaer-Konzernlenker Werner Görg hatte vergeblich versucht, die Rück zu verkaufen. Als er nicht den geforderten Preis erzielen konnte, verfügte er die Schließung. Seine Begründung: Die Gruppe müsse wegen der bevorstehenden Einführung der Solvency-II-Regeln das knappe Eigenkapital auf ihre Kerngeschäftsfelder konzentrieren. Die Gothaer Rück wird jetzt mit der Gothaer Holding verschmolzen, die ihre Altverträge abwickelt. Dass dabei ein erheblicher Bestand an Kapitalanlagen auf die Holding übertragen wurde, ist ein willkommener Nebeneffekt.
Müller bleibt der Branche erhalten, er hat beim Rückversicherungsmakler Guy Carpenter – Teil der Marsh & McLennan-Gruppe – angeheuert. Aber der plötzliche Wegfall der Gothaer Rück aus dem Markt hat viele Kunden zum Nachdenken gebracht. Die Finanzkraft hat klar die allererste Priorität, wenn es um die Auswahl eines Rückversicherers geht. Schließlich kaufen sie vor allem Sicherheit, die Sicherheit, dass ihr Partner im Krisenfall auch wie vereinbart zahlen kann. Es zählt aber auch die Verlässlichkeit, in Zukunft noch Geschäftspartner zu finden.
Zweimal im Jahr trifft sich die internationale Branche, Anfang September in Monte Carlo und Ende Oktober in Baden-Baden. In Monte Carlo werden Erfahrungen ausgetauscht, erste Verhandlungen geführt. In Baden-Baden treffen sich mehr als 1000 Versicherer, Rückversicherer, Makler und Versicherungseinkäufer der Industrie in einem rigiden Halbstundenrhythmus zu Verhandlungen. Sie finden an zahlreichen Tischen in den Ballsälen und Lobbys der Luxushotels statt.
Die Kunden der Rückversicherer haben bei diesen Treffen in den letzten Jahren mehr als einen Schock zu verdauen gehabt. 2002 stellte die Gerling Globale Rück kurz vor Baden-Baden ihr Geschäft ein, nachdem sie wegen der durch Überexpansion verursachten Finanzprobleme von den Rating-Agenturen herabgestuft worden war. Im vergangenen Jahr war der französische Rückversicherer Scor das Hauptgesprächsthema – nur mit massiver Hilfe des französischen Marktes, der seinen einzigen Rückversicherer nicht untergehen lassen wollte, und durch stille Hilfe der Pariser Regierung konnte Scor überleben und hat sich inzwischen sogar erholt.
Neben dem Maklerskandal in den USA ist in diesem Jahr das Schicksal des Rückversicherers Converium in aller Munde. Wie bei Gerling Globale und Scor ist auch Converium in die Krise geraten, weil die Rating-Agenturen die Bonität des Unternehmens herabgestuft haben. Das führt bei manchem Manager zu dem Gefühl, dass Standard & Poor’s (S&P), Moody’s oder AM Best zu viel Macht haben. Die Debatte über die Rolle der Rating-Agenturen wird vehement geführt – wobei gelegentlich der Bote für die schlechte Nachricht geprügelt wird.
Die Tatsache, dass die Gothaer für ihren Rückversicherer keinen Käufer fand, überrascht kaum. Die Konsolidierung in der Branche findet zur Zeit vor allem über das Ausscheiden von Marktteilnehmern statt. Dazu kommt, dass nach einer Erhebung von S&P die Großübernahmen der 90er Jahre alles andere als erfolgreich waren. Die versicherungstechnischen Ergebnisse, also das Verhältnis von Schadenaufwand und Kosten zu den Prämieneinnahmen, waren bei den fusionierten Gruppen seit den Übernahmen fast immer schlechter als die des Gesamtmarktes.
Spannend wird der Vormarsch der Bermuda-Gesellschaften. In drei Wellen gründeten vor allem amerikanische Unternehmen mit viel Risikokapital Versicherer auf den steuer- und aufsichtsrechtlich günstigen Bermudas – nach der Haftpflichtkrise der 80er, nach Hurrikan „Andrew“ 1992 und nach dem 11. September 2001. Viele dieser Gesellschaften gibt es nicht mehr. Andere sind zu Konzernen geworden. Sie suchen Geschäftsgelegenheiten über die traditionelle Schadenversicherung hinaus, etwa im Haftpflichtbereich.
Den Kunden kann das zusätzliche Angebot recht sein. Hoffnungen auf dramatisch sinkende Preise für die Vertragserneuerung 2005 mussten sie schon begraben. Holger Gaserow ist Deutschland-Chef beim Makler Aon Re. Er erwartet im Großen und Ganzen stabile Preise, wobei Absenkungen bei gut verlaufenden Verträgen im Bereich Feuer-Industrieversicherung durchaus möglich sind. „Die große Euphorie, dass alles billiger wird, ist vorbei“, sagte Gaserow.
Zitat:
„Die große Euphorie, dass alles billiger wird, ist vorbei“ – Holger Gaserow, Aon Re
Bild(er):
Wenig Zeit für das Kasino haben die Versicherungsmanager, die sich in dieser Woche in Baden-Baden treffen. Die Neigung zum riskanten Spiel ist gering – auch bei den Versicherern aus Hamilton, Bermuda, die nach Europa drängen – Caro/Kaiser; Mauritius Images
Quelle: Financial Times Deutschland
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