Industriekonzerne nutzen Luxemburg für hauseigene Risikoträger · Steuervorteile
Von Herbert Fromme Henkel hat eine und Degussa, ebenso Linde, Bayer, DaimlerChrysler, die Deutsche Post und der Werkzeuglieferant Würth. Sie alle besitzen eigene Rückversicherungstöchter, und diese sind aus gutem Grund in Luxemburg angesiedelt.
Große Konzerne wickeln ihren Risikoausgleich oft intern ab, und dazu nutzen sie eigene Versicherer und Rückversicherer, die im Fachjargon Captives oder Rückversicherungs-Captives heißen. Die Rückversicherungs-Captives spielen eine große Rolle, wenn es darum geht, die Rückversicherungsdeckungen für die Risiken eines Konzerns zu arrangieren. Wenn die Versicherungsmärkte gut laufen, profitiert die Industrie so ein wenig an den hohen Gewinnen.
Geschickte Vertragskonstellationen können sogar dazu führen, dass die Captive zur Senkung der Steuerlast beiträgt. Denn eine Rückversicherungstochter in Luxemburg kann großzügiger Schwankungsrückstellungen für noch nicht eingetretene Schäden aufbauen, als das der Fiskus in Deutschland oder anderen Ländern zulassen würde. 1984 trat im Großherzogtum diese liberale Regelung in Kraft. Unmittelbar danach setzte der Boom bei den Rückversicherungs-Captives ein.
Ende 2003 gab es aus diesem Grund 270 Rückversicherungsunternehmen in Luxemburg. Davon hatten 66 französische Besitzer, 64 kamen aus Belgien, 47 aus Skandinavien, bei 24 hatten die Muttergesellschaften ihren Sitz in Luxemburg selbst. Aus Deutschland stammten 17 Unternehmen. Manche heißen wie ihre Mutter, etwa die Volvo Group Re oder die Würth Reinsurance Co. Andere haben Fantasienamen wie Indusrisk oder Luxinter Re.
Nicht nur Industrieunternehmen nutzen die Vorteile, die ihnen das kleine Land bietet. Auch viele Versicherungskonzerne haben dort eine Rückversicherungstochter, die Allianz etwa die International Reinsurance Company.
Eine Rückversicherungs-Captive ist nur sinnvoll, wenn sie wenig Kosten verursacht. Während Erstversicherer mit Tausenden von Einzelkunden Verträge schließen, haben Rückversicherer nur wenige Kunden. Vor allem die Töchter der Industriekonzerne kommen daher ohne aufwändige eigene Infrastruktur aus. „Ein Rückversicherer braucht ohnehin eine deutlich kleinere Struktur als ein Erstversicherer“, erläutert Claude Weber, Spezialist für Captives bei der Luxemburger Tochter des Versicherungsmaklers Marsh.
Die Verwaltung übernehmen 23 spezialisierte Firmen, die Captive Managers. Ihr Verband Association des gestionnaires de réassurances (Agere) ist im Jahr 1988 gegründet worden, Generalsekretär ist Claude Weber.
Seit Anfang dieses Jahres kooperiert Agere eng mit der Luxemburger Versicherungsvereinigung Association des Compagnies d’Assurances, die beiden teilen sich Büros.
Die Zusammenarbeit bewährt sich. Auch die örtliche Versicherungsbranche hat einen Teil ihrer Kunden in Luxemburg – das meiste Geschäft machen die 95 Luxemburger Versicherer mit Lebenspolicen, die an Kunden in Nachbarländern wie Frankreich oder Deutschland verkauft werden. So betreibt zum Beispiel die britische Clerical Medical ihr Deutschlandgeschäft über eine Tochter in Luxemburg.
Zitat:
Claude Weber, Agere
Quelle: Financial Times Deutschland
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