Rating-Agentur veröffentlicht unerbetene Urteile zur Finanzstärke · Branche fürchtet Verzerrungen
Von Herbert Fromme, Köln Die Rating-Agentur Fitch will ungefragt Bewertungen aller deutschen Versicherungsunternehmen veröffentlichen. Das teilte Fitch den Gesellschaften in einem Schreiben mit. Die so genannten „Quantitativen Finanzstärke-Ratings“ oder Q-Ratings beruhen auf öffentlich zugänglichen Informationen, vor allem aus den Geschäftsberichten, und sollen noch im laufenden Jahr publiziert werden.
Der Plan sorgt für beträchtliche Unruhe in der Assekuranz. „Ich denke, dass Ratings nur dann gemacht werden sollen, wenn eine Agentur die Hintergründe kennt“, sagte Josef Beutelmann, Vorstandschef der Barmenia-Gruppe. „Sonst besteht die Gefahr von Verzerrungen.“ Auch Volker Altenähr, Chef der Süddeutschen Krankenversicherung, moniert die unerbetene Beurteilung. „Die Methode finde ich sehr seltsam.“ Fitch kritisiere etwa die Eigenkapitalausstattung vieler Versicherungsvereine, ohne sich über deren tatsächliche Situation informiert zu haben.
Vor allem kleinere Versicherer werfen Fitch vor, durch das Massenrating Druck in Richtung eines bezahlten Ratings auszuüben. Bei den so genannten interaktiven Ratings beziehen die Agenturen Hintergrundinformationen aus intensiven Managementgesprächen in ihr Urteil ein. Sie kosten nach Angaben von Fitch-Deutschlandchef Jens Schmidt-Bürgel 40 000 bis 50 000 Euro pro Jahr. Bisher haben sich elf deutsche Versicherer für ein interaktives Fitch-Rating entschieden.
In den vergangenen Jahren war Fitch vielen Versicherern durch seine kritische Darstellung der Finanzlage der Lebensversicherungsbranche sauer aufgestoßen.
Für Firmen außerhalb der Assekuranz ist die Bewertung durch Rating-Agenturen entscheidend für ihre Refinanzierungskosten. Das spielt bei Versicherern zwar kaum eine Rolle. Für sie hat aber das Rating eine viel größere Bedeutung: Da sie hohe Risiken übernehmen und oft langfristige Verträge abschließen, sind schlechte Ratings für den Verkauf tödlich. So achten Versicherungsmakler genau auf die Bewertungen. Empfehlen sie ihren Kunden Versicherer mit schlechtem Rating, machen sie sich möglicherweise haftbar, wenn diese in finanzielle Schwierigkeiten kommen.
Fitch-Manager Schmidt-Bürgel verteidigt die Branchenbewertung. „Es ist im Interesse vieler Marktteilnehmer, einen Überblick über den gesamten Markt zu gewinnen“, sagte er der FTD. Es sei eine Tatsache, dass sich immer nur die raten lassen wollten, die auf eine gute Beurteilung hoffen könnten. Er weist den Erpressungsvorwurf zurück. „Es liegt uns fern, Unternehmen unter Druck zu setzen“, sagte er.
Alle Beurteilungen will aber auch Fitch nicht veröffentlichen. Für das Q-Rating verwendet die Agentur die üblichen Noten von „AAA“ bis „C“, will aber nur Ergebnisse zwischen der besten Bewertung „AAA“ (außergewöhnlich stark) und „B“ (schwach) veröffentlichen. Schlechtere Noten bleiben im Safe. Auf die bei interaktkiven Ratings üblichen Feinabstufung durch die Zeichen „+“ und „-“ verzichtet Fitch.
Rennlisten zur Finanzstärke sind nicht neu. Der renommierte Fachdienst Map-Report des Finanzjournalisten Manfred Poweleit macht das seit Jahren. Er wird vor allem von Maklern gelesen, aber auch von Versicherern ernst genommen. Allerdings will Poweleit ihnen kein bezahltes Rating verkaufen.
Im lukrativen Rating-Markt ist Standard & Poor’s Marktführer in Deutschland. Die Agentur hat 118 Versicherer in Deutschland bewertet – davon sind 46 Ratings bezahlt, weitere 72 Ratings beruhen auf öffentlich zugänglichen Informationen. Auch Moody’s ist hier tätig und veröffentlicht gelegentlich unerbetene Ratings. Dagegen wehrt sich vor allem Wilhelm Zeller, Chef der Hannover Rück – ohne Erfolg. Für international tätige Versicherer ist die US-Agentur AM Best sehr wichtig.
Nur in Deutschland arbeitet Assekurata. Die Kölner Agentur veröffentlicht nur Ratings, für die es einen Auftrag erhielt. In diese Beurteilungen gehen auch Kundenbefragungen ein.
Zitat:
„Ein Überblick über den gesamten Markt ist im Interesse vieler“ – J. Schmidt-Bürgel, Fitch
Bild(er):
Aufgedrückt: Ratings sind entscheidend für den Verkauf von Versicherungsprodukten vor allem über Makler – Corbis/Dale C. Spartas; FTD-Montage
Quelle: Financial Times Deutschland
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