Richter stärken Pharmafirmen

Ärzte und Krankenkassen dürfen keine Hinweise zu Arznei veröffentlichen

Von Ilse Schlingensiepen, Köln Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) darf keine Therapiehinweise zur Verordnung von patentgeschützten Arzneimitteln veröffentlichen. Das hat gestern das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) entschieden. Das Gremium greife rechtswidrig in die Berufsfreiheit von Pharmafirmen ein, so die Richter. Der G-BA, in dem Vertreter von Krankenkassen, Ärzten und Krankenhäusern sitzen, entscheidet, welche Leistungen durch die gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden. Er steht unter der Aufsicht des Bundesgesund- heitsministeriums.

Der Pharmakonzern Sanofi-Aventis hatte den G-BA verklagt, weil dieser einen Therapiehinweis zum Wirkstoff Clopidogrel veröffentlicht hatte. Der Wirkstoff hemmt die Gerinnung von Blutplättchen. Er wird eingesetzt bei der Behandlung von Gefäßerkrankungen, beispielsweise nach Herzinfarkt oder Schlaganfall. Bei diesen Indikationen arbeiten die Ärzte aber häufiger mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS). ASS ist allerdings deutlich günstiger. Hier liegen die Kosten für eine Tagesdosis bei 4 Cent, verglichen mit 3 Euro bei Clopidogrel. Im vergangenen Jahr wurden rund eine Milliarde Tagesdosen ASS und 100 Millionen Tagesdosen Clopidogrel verordnet. Clopidogrel ist unter anderem im Medikament Plavix von Sanofi-Aventis enthalten.

Der G-BA hat das neue Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen mit einer Untersuchung beauftragt, die klären soll, für welche Patientengruppen Clopidogrel geeignet ist.

In dem Therapiehinweis, der Ärzte über eine wirtschaftliche Verordnungsweise informiert, empfiehlt der G-BA, wegen der Kostenunterschiede und der gleichen Wirksamkeit Clopidogrel in der Regel nur zu verschreiben, wenn ASS nicht in Frage kommt.

Eine solche Empfehlung zu einem patentgeschützten Arzneimittel greift in die Berufsfreiheit der Herstellerfirma ein, urteilte das LSG. Mit dem Inhalt des Hinweises mussten sich die Richter eigentlich nicht mehr auseinander setzen. Sie ließen aber erkennen, dass sie dabei den Argumenten des G-BA folgen können.

„Ich halte die Entscheidung für nicht akzeptabel“, sagte der G-BA-Vorsitzende Rainer Hess. Verschiedene Regelungen des Sozialgesetzbuchs zeigen nach Einschätzung des Juristen eindeutig, dass die Hinweise nach dem Willen des Gesetzgebers durchaus in die Kompetenz des Ausschusses fallen. Im Gesetz stehe ausdrücklich, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen Hinweise zur wirtschaftlichen Verordnungsweise geben können. Sie seien schließlich die Träger des G-BA.

Zudem habe der Ausschuss die Möglichkeit, Richtlinien zur Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zu erlassen. „Die sind viel restriktiver als die Hinweise“, sagte Hess. Der G-BA will gegen das Urteil Revision beim Bundessozialgericht einlegen.

Zitat:

„Ich halte die Entscheidung für nicht akzeptabel“ – G-BA-Vorsitzender Rainer Hess

Quelle: Financial Times Deutschland

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