Zusammenschlüsse verbessern die Verhandlungsposition gegenüber niedergelassenen Ärzten und Kliniken
Kaum eine Diskussion über die Höhe der Lohnnebenkosten vergeht ohne diese Forderung: Die Zahl der Krankenkassen muss sinken. Hunderte von Kassen verursachten zu hohe Verwaltungskosten, Zusammenschlüsse könnten zur Senkung des Beitragssatzes führen, so die Argumentation. Dabei rollt die Fusionswelle seit langem. Einsparungen bei Verwaltung und Vorstandsposten spielen aber nur ein untergeordnete Rolle. Den Kassen geht es vielmehr um größere Marktmacht.
Bundesweit findet ein Konzentrationsprozess statt. Ohne Fusionen ist es für die Kassen nämlich kaum möglich, ihre Mitgliedszahlen in großem Ausmaß zu steigern.
Dass eine Kasse wegen ihrer maroden Finanzlage geschlossen wird, wie die BKK Düsseldorf im Jahre 2001, ist die Ausnahme. Die meisten Kassen verschwinden durch Fusionen. Zusammenschlüsse sind aber nur zwischen Kassen der gleichen Art möglich, Betriebskrankenkassen können nur mit Betriebskrankenkassen, Ersatzkassen nur mit Ersatzkassen zusammengehen.
Im Jahr 1970 gab es allein in Westdeutschland 1815 Krankenkassen, heute sind es bundesweit 267. Von 1119 Betriebskrankenkassen (BKK) sind 210 übergeblieben, von 399 Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) zwölf. Die 178 Innungskrankenkassen sind zu 16 verschmolzen. Dagegen ist die Zahl der Angestellten-Ersatzkassen seit mehr als 30 Jahren mit sieben stabil. Sie waren immer schon sehr mitgliederstark. Viele der fusionierten Kassen hatten dagegen nur einige Zehntausend Versicherte.
Vorangetrieben wird die Konsolidierung von Kassen wie der erst 2002 in Düsseldorf gegründeten BKK Essanelle. Fast ein Drittel der 340 000 Versicherten kommen aus Verschmelzungen mit anderen Kassen. Mit Hilfe weiterer Fusionen will Vorstandschef Jürgen Hahn die Zahl der Versicherten mittelfristig verdoppeln. „Wir wollen durch weitere Fusionen neue Märkt erschließen“, sagte Hahn. Für den Beitragssatz relevante Einsparungen in der Verwaltung ergäben sich durch Zusammenschlüsse nicht.
Als nächster Schritt steht im Juli die Fusion mit der Hannoverschen BKK Neun Plus an. Die BKK Essanelle gewinnt dadurch weitere 37 000 Versicherte. „Es geht uns nicht um wildes Wachstum“, betonte Hahn. Er setzt auf regionale Schwerpunkte. Durch die Verschmelzung mit der Augsburger BKK MAN im Oktober 2004 hat sich die Kasse ein Standbein in Süddeutschland geschaffen, ein zweites soll in Hannover Fuß fassen. „Wir wollen in diesen Regionen einen Marktanteil von 20 Prozent erreichen“, erklärte Hahn.
Seit der Gesundheitsreform können Kassen direkt mit niedergelassenen Ärzten und anderen Leistungserbringern Verträge abschließen. Je größer eine Kasse ist, um so stärker ist ihre Marktmacht und ihre Verhandlungsposition – und das wirkt sich auf den Beitragssatz aus.
Hahn fordert wie viele andere Kassen-Manager, dass der Gesetzgeber auch Zusammenschlüsse von unterschiedlichen Kassenarten freigibt. „Das würde einzelnen Kassen bessere Möglichkeiten bieten, ihre Marktmacht weiter auszubauen“, sagte er. Die politischen Interessenvertreter der Kassen, ihre Bundesverbände, können sich dafür aber nicht begeistern.“Eine Freigabe könnte in einigen Regionen zu einer marktbeherrschenden Stellung einer einzigen Kassenart führen“, sagte der Sprecher des BKK-Bundesverbands Florian Lanz.
„Es gibt viele Risiken“, erklärte auch Beate Wiegard, Sprecherin des Ersatzkassenverbandes VdAK. Ein Problem: Kassen der selben Art haften bei finanziellen Schwierigkeiten füreinander. Übergreifende Fusionen könnten dazu führen, dass diese Verpflichtung ausgehöhlt wird.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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