In der Biotechnologie keimt neue Hoffnung

Der Branche fehlt weiter Kapital · Von erfolgreichen Börsengängen versprechen sich Kölner Firmen die Trendwende

Von Anja Krüger The excitement of a new beginning – Aufbruchstimmung“, so wirbt der englisch-deutsche Prospekt für 8500 Quadratmeter Nutzfläche im rechtsrheinischen Stadtteil Köln-Kalk um neue Mieter. Die Biofactory Cologne ist das zehnte Technologiezentrum in der Region, in dem sich Unternehmen aus der Biotechnologie-Branche ansiedeln sollen.

Aufbruchstimmung – darauf wartet die Branche, darauf warten die Anbieter von Gewerbeflächen für Biotechnologie-Unternehmen. Raum für Büros und Labore gibt es in Köln zurzeit im Überfluss. Das Gebäude für die Biofactory ist soeben fertig geworden. Noch hat niemand unterschrieben, sagt Heinz Bettmann, Geschäftsführer des gegenüberliegenden Rechtsrheinischen Technologie- und Gründerzentrums (RTZ). Er ist auch für die Betreuung der Firmen in der Biofactory zuständig – und ausgesprochen zuversichtlich. „Wir haben bereits sechs Kandidaten, die einziehen möchten.“

Vor sieben Jahren startete hier die Firma Amaxa ihren Weg in den Erfolg. 1998 hatten die Gründer Rainer Christine und Gregor Siepenkotten den Businessplan-Wettbewerb der Initiative „Neues Unternehmertum Köln“ gewonnen und kamen von der Spree an den Rhein. Amaxa stellt Technologien für den Transfer von Genen her, die in der Grundlagenforschung und der industriellen Medikamentenentwicklung eingesetzt werden. Mittlerweile ist das Unternehmen in den linksrheinischen Biocampus Cologne umgesiedelt, weil es im RTZ zu eng wurde. Sogar den Schritt nach Übersee haben die Unternehmer inzwischen gewagt. In Köln beschäftigt Amaxa rund 100 Mitarbeiter, weitere 20 in den USA. „Amaxa hat früh eine eigene Vertriebsabteilung aufgebaut, um die Produkte selbst zu vermarkten“, sagt Sprecher Oliver Müller.

Für den Standort Köln spreche die gute Infrastruktur. So verfüge die Stadt über genügend geeignete Gebäude und Flächen für die biotechnische Entwicklung und Produktion. „In unserem Umfeld gibt es viele wichtige Forschungseinrichtungen“, sagt Müller. Dazu gehören die Max-Planck-Institute für neurologische Forschung und Züchtungsforschung. Auch an der Kölner Universität forschen hochkarätige Wissenschaftler auf dem Gebiet der Biotechnologie, etwa am Zentrum für Molekulare Medizin.

Im Großraum Köln sind rund 40 Unternehmen wie etwa Analysis, Infai, Operon oder Miltenyi Biotec in der Branche oder in ihrem Umfeld tätig. Sie beschäftigen zusammen etwa 1800 Mitarbeiter. Viele der Firmen sind im Biotechnologie-Boom Ende des vergangenen Jahrhunderts entstanden. Die Unternehmen der Branche sind auf potente Kapitalgeber angewiesen, denn die Entwicklungskosten für marktgängige Produkte sind hoch. Oft dauert es Jahre, bis die Firmen Gewinne machen. In den Boomzeiten hatten Gründer mit cleveren Geschäftsideen kaum Probleme, Investoren zu finden. Das hat sich mit der Kapitalmarktkrise 2001 geändert. Seitdem ist es für Gründer und auch junge Firmen nur sehr schwer möglich, an Startkapital zu kommen oder Anschlussfinanzierungen zu erhalten.

Amaxa ist von dieser Entwicklung verschont geblieben. Im Jahr 2001, kurz vor Beginn der Krise, musste das Unternehmen das letzte Mal Geldgeber suchen. Seit 2004 schreibt das Biotech-Startup nach Müllers Angaben schwarze Zahlen.

„Die Kölner Unternehmen haben die Krise verhältnismäßig gut überstanden“, sagt RTZ-Geschäftsführer Bettmann. Nur wenige mussten aufgeben. „Networking wird hier sehr groß geschrieben“, sagt er. „Man kennt sich, man tauscht sich aus, man hilft sich.“ Nach seiner Einschätzung ist ein Ende der Krise in Sicht. „Es gibt wieder eine Aufbruchstimmung.“

Auch Julia Schüler von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young ist zuversichtlich. Sie hat für ihr Haus den „Biotechnologie-Report 2005“ verfasst, der im Juni erscheint. „Die Talsohle ist fast durchschritten“, sagt sie. Im Großraum Köln profitiert die Branche von einem positiven Signal aus der Nachbarschaft. Das Aachener Biotechnologie-Unternehmen Paion ist Anfang des Jahres an die Börse gegangen. Die 2000 gegründete Firma entwickelt einen Wirkstoff zur Blutverdünnung bei Schlaganfallpatienten. „Der Börsengang setzt Impulse für die gesamte Region“, sagt Schüler.

Positive Signale wie diese sind für die junge Branche wichtig. „Kapitalgeber sind eher bereit zu investieren, wenn sie sehen, dass so etwas möglich ist“, sagt Martin Kretschmer, Geschäftsführer des Vereins Bioriver. Unternehmen und Institutionen wie die Industrie- und Handelskammern der Region haben sich zu Bioriver zusammengeschlossen, um das Rheinland gemeinsam deutschlandweit und international als guten Standort für Biotechnologie-Unternehmen zu präsentieren. Dabei schieben die Unternehmen das regionale Konkurrenzdenken beiseite. „Sie haben gemerkt, dass sie es einzeln nicht schaffen, sich als Standort zu profilieren“, sagt der Geschäftsführer.

Kretschmer geht davon aus, dass in diesem Jahr mindestens ein weiteres Unternehmen aus der Region an die Börse gehen wird – welches, will er nicht sagen. Neugründungen seien aber nach wie vor mit großen Schwierigkeiten verbunden. Die Trendwende erwartet er für 2006 oder 2007, schränkt aber ein: „Eine Gründungseuphorie wie im Jahr 2000 wird es aber nicht mehr geben.“

Zitat:

Heinz Bettmann, Rechtsrheinisches Technologie- und Gründerzentrum

Bild(er):

Am Kölner Max-Planck-Institut untersuchen Forscher die Gene von Pflanzen. In einer Petrischale hält ein Forscher Tabakkeimlinge vor das grüne Licht des Labors – Ulrich Zillmann/OKAPIA

 

Quelle: Financial Times Deutschland

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