Die deutschen Lebensversicherer haben nach Ansicht der Rating-Agentur Standard & Poor’s (S&P) die Aktienkrise überstanden, bisher aber bei weitem nicht die Stärke wieder gewonnen, die sie zu Beginn der Krise hatten. „Unsere durchschnittliche Bewertung der Versicherungsunternehmen ist heute etwa eine volle Kategorie unter der vor fünf Jahren“, sagte Yann Le Pallec im FTD-Interview. Le Pallec ist Chef der europäischen Versicherungsanalysten bei S&P. „Die Branche ist schwächer als sie war. Unsere Ratings spiegeln das wider.“
Standard & Poor’s gehört zu den wichtigsten Rating-Agenturen. Die Bewertung von Versicherern und Rückversicherern interessiert vor allem mögliche Großkunden und Makler. Die Kunden vertrauen ihr Geld nur ungern Firmen an, deren Finanzstärke von Rating-Agenturen schlecht beurteilt wird. Das Rating wirkt sich deshalb für Versicherer unmittelbar auf den Verkaufserfolg aus.
S&P hatte vor kurzem seine Gesamteinschätzung des deutschen Lebensversicherungsmarktes von negativ auf stabil verändert. Für den Schaden- und Unfallbereich ging die Agentur schon vorher von einer gefestigten Entwicklung aus. Le Pallec warnte davor, aus der Hochstufung der Gesamtbranche die falschen Schlüsse zu ziehen. „Das heißt nicht, dass wir begeistert sind von den Margen der Unternehmen. Es heißt nur, dass rein statistisch gesprochen die Ratings der meisten Lebensversicherer in den nächsten 12 bis 18 Monaten stabil bleiben werden.“
Die niedrigen Zinsen würden zwar in Kombination mit den gegenüber Kunden ausgesprochenen Garantien zu „extrem niedrigen Margen“ führen. „Aber wir glauben nicht, dass der Anlagemix und die Garantien zum jetzigen Zeitpunkt zu akuten Problemen führen. Auf der Basis unserer Modellrechnungen beeinträchtigt das die Finanzstärke der Unternehmen nicht.“ Man dürfe nicht vergessen, dass Lebensversicherer nicht nur Erträge aus Kapitalanlagen erzielen. Auch die Differenz zwischen den kalkulierten und dem Kunden berechneten Kosten und den tatsächlichen Kosten sowie aus der vorsichtigen Risikoberechnung spielten eine Rolle. „Effizient arbeitende Firmen haben Kostengewinne, die mit einem Zinsertrag von 0,5 Prozent vergleichbar sind“, erläuterte S&P-Analyst Wolfgang Rief. Le Pallec sieht selbst bei einem weiteren Fall der Zinsen keine unmittelbare Bedrohung für die Assekuranz. „Ein Rückgang würde nicht sofort zu einem Rückgang im Ertrag der Kapitalanlagen führen“, sagte er. „Nur wenn es zu einer längeren Phase noch niedrigerer Zinsen kommt, beeinträchtigt das die Erträge nachhaltig.“ S&P erwarte langfristig einen schrittweisen Anstieg der Zinsen, auch wenn es kurzfristig noch zu einem Fall kommen könne.
Eher stabil als negativ sieht S&P auch die Aussichten für Schaden- und Unfallversicherer sowie Rückversicherer im deutschen und europäischen Markt – trotz der hohen Altlasten, die gerade Rückversicherer immer wieder entdecken. „Diese Tatsache wird in unseren heutigen Ratings eindeutig berücksichtigt“, sagte S&P-Analyst Rob Jones. „Das Rating ist deutlich unter dem Niveau, das es vor einigen Jahren hatte.“
Die Preise gingen eindeutig nach unten, sagte Jones. „Das war unvermeidbar. Niemand konnte erwarten, dass die hohen Preise ewig andauern würden.“ Entscheidend sei, wie weit der Rückgang jetzt reiche. „Er wird wahrscheinlich deutlich weniger ausgeprägt sein als in früheren Versicherungszyklen“, sagte Jones. „Aber der Zyklus ist da, er ist flacher, aber nicht ganz flach.“ Allerdings werde das Kapital der Rückversicherer heute sehr viel besser gemanagt als vor wenigen Jahren. Außerdem gebe es mehr Transparenz bei den Preisen – wenn ein Rückversicherer oder Versicherer übertrieben nachgebe, sei das sowohl im Markt als auch im eigenen Unternehmen und bei dessen Aktionären schnell bekannt.
„Bei den Rückversicherern werden die Vertragsabschlüsse für 2006 entscheidend sein“, sagte Le Pallec.
Quelle: Financial Times Deutschland
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