Angst vor Eingriffen der Politik

Das Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherer hängt mehr denn je von Regierungsentscheidungen ab

VON Ilse Schlingensiepen Die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD führen den privaten Krankenversicherern erneut vor Augen, wie stark sie am Gängelband der Politik hängen. Was die Parteienvertreter am Verhandlungstisch zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entscheiden, wirkt direkt auf das Geschäft der privaten Krankenversicherungen (PKV). „Bei uns ist alles dominiert von der Politik, andere Themen sind in den Hintergrund getreten“, sagt Volker Leienbach, Direktor des PKV-Verbands. „Man fühlt sich wie das Kaninchen, das vor dem Loch sitzt und auf Entscheidungen wartet“, sagt Uwe Laue, Vorstandsvorsitzender des Marktführers Debeka.

Die Branche weiß, wie schmerzhaft politische Entscheidungen für sie sein können. Als die rot-grüne Koalition zum 1. Januar 2003 die Versicherungspflichtgrenze von 3375 Euro auf 3825 Euro anhob, ging das Neugeschäft im Kerngeschäftsfeld Vollversicherung deutlich zurück. Angestellte können sich nur privat versichern, wenn sie mehr als die Versicherungspflichtgrenze verdienen. Die PKV steht sonst nur Beamten und Selbstständigen offen.

Im ersten Halbjahr 2005 verzeichneten die PKV-Unternehmen einen Nettozuwachs von rund 39 000 Personen in der Vollversicherung. Im ersten Halbjahr 2004 waren es noch 76 000, im Jahr zuvor 82 000. Auch die Debatte über die Zukunft des Gesundheitssystems wirkt sich negativ auf den Verkauf aus. „Wir merken, dass die Unsicherheit der Leute groß ist“, sagt Laue.

„Im Angestelltenbereich haben wir schon jetzt keinen Nettozuwachs mehr“, sagt Leienbach. Die von der SPD gewünschte Austrocknung dieses Segments wird nicht das Ende sein, sagt er. Wegen der Gleichstellung würden die Beamten folgen und dann auch die Selbstständigen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es exklusiv für Selbstständige ein Sondersystem geben wird“, sagt Leienbach.

Um im Kampf gegen Bürgerversicherung und Gesundheitsprämie aus der Defensive zu kommen, hat der PKV-Verband im Sommer 2004 ein eigenes Modell vorgestellt. Als Gegenleistung für den Erhalt der PKV in ihrer heutigen Form sieht es einen brancheneinheitlichen Basisschutz für freiwillig Versicherte vor. Dabei würde die PKV auf Prinzipien verzichten, die bisher als unantastbar galten, wie die Gesundheitsprüfung und Risikozuschläge. Gleichzeitig wäre bei einem Wechsel in diesem Tarif die Mitgabe der Alterungsrückstellungen möglich.

Gerade bei diesen steht die Branche schon länger unter Druck. Altersrückstellungen sind jener Teil der Beiträge, den Versicherte ansparen, um im Alter die Prämien bezahlbar zu halten. Wechselt ein Kunde das Unternehmen, verliert er sie. Das behindere den Wettbewerb, sagen Verbraucherschützer.

Die jüngste Rechtsprechung zu Transparenz und Kundenrechten in der Lebensversicherung wird auch Konsequenzen für die PKV haben, erwarten Branchenvertreter. „Das Thema Transparenz wird auf uns herüberschwappen“, sagt Debeka-Chef Laue. „Der Druck in Richtung Übertragbarkeit der Alterungsrückstellung wird sich erhöhen.“ Allerdings bleibe ein Problem bestehen: „Niemand konnte uns bisher sagen, wie wir das rechnen sollen.“

Die PKV ist nach der Lebensversicherung der zweitstärkste Versicherungszweig. Die Prämieneinnahmen werden in diesem Jahr voraussichtlich bei 27,4 Mrd. Euro liegen, das wäre ein Plus von 3,7 Prozent. 2004 kamen 71,6 Prozent der Beitragseinnahmen aus der Vollversicherung.

Bild(er):

Ein Paar Panzerhandschuhe aus der Rüstung Cosimos II. von Medici. Sie wurden zwischen 1600 und 1621 hergestellt – Picture-Alliance/KPA/HIP

Quelle: Financial Times Deutschland

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