Versicherungsnehmer lassen Hurrikans nicht als Grund für höhere Preise gelten
VON Herbert Fromme Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Wirbelstürmen in den USA und den Versicherungskosten eines mittelständischen Maschinenbauers in Schwaben? Ein ganz direkter, heißt es in der Versicherungswirtschaft. Schließlich könne allein „Katrina“ die Assekuranz bis zu 60 Mrd. $ kosten. Die Großhändler des Versicherungsschutzes, die Rückversicherer, hätten schon die Preise erhöht. Also, so die Logik der Versicherer, müsse auch der Endkunde mehr zahlen – das gelte umso mehr für die doch massiv stärker exponierte Industrie.
„Ob das gelingt, ist eine andere Frage“, sagt Ralf Oelßner dazu, Versicherungschef der Lufthansa und Vorsitzender des Deutschen Versicherungs-Schutzverbandes (DVS). Der DVS ist die Lobbyorganisation der Industrie in Versicherungsfragen. Es stelle sich die Frage, warum deutsche Kunden für Sturmschäden in den USA aufkommen sollen, sagt Oelßner. „Wenn es in Bayern eine Flut gibt, zahlen die amerikanischen Versicherungskunden auch nicht mehr.“
Oelßner steht mit seiner Meinung nicht allein. Die meisten Endkunden sehen ein, dass es für Sturmdeckungen möglicherweise moderate Preissteigerungen auch in Europa geben wird. In der Feuerversicherung aber, dem Kern der Industrieversicherung, setzen sie entweder auf weiter sinkende oder zumindest stabile Preise. Auch die Versicherungsmakler, die auf Grund zahlreicher Kontakte mit Kunden und Anbietern einen guten Marktüberblick haben, sehen keine Marktverhärtung. Allerdings tendieren sie ohnehin eher dazu, die Preise nach unten zu reden.
Abseits von solchen psychologischen Faktoren gibt es gute Gründe für die Industrie, den Preisforderungen der Versicherer nicht einfach nachzugeben. Seit 2000 und beflügelt durch den 11. September 2001 haben die Versicherer die Preise für Industriedeckungen gewaltig erhöht – und gleichzeitig die Bedingungen deutlich verschärft. „Manche Deckungen haben so viele Ausschlüsse, sie sind löchriger als ein Schweizer Käse“, sagt ein frustrierter Versicherungskunde.
Die Versicherer verdienten 2003 und 2004 an Industriekunden ausgezeichnet – auch, weil die hohen Preise zufällig mit wenigen Großschäden zusammenfielen. Die Schadensentwicklung hat sich zwar in der ersten Hälfte des Jahres 2005 ins Negative gedreht, das Verhalten der Versicherer aber nicht. Die hohen Profite, die in der Industrieversicherung in den vergangenen Jahren eingefahren werden konnten, locken. „Jetzt wollen sich die Versicherer von dem nicht größer werdenden Kuchen ein möglichst großes Stück sichern“, sagt Oelßner.
Den Treueschwüren der Branche in den vergangenen Jahren, die zumindest 2004 noch für Disziplin an der Preisfront sorgten, glaubt niemand mehr. Nur Marktführer Allianz scheint den Prinzipien treu zu bleiben – sein Industriespezialversicherer erlitt in der ersten Hälfte 2005 einen Umsatzrückgang von 16 Prozent. Andere Marktteilnehmer sind weniger vornehm und unterbieten einander zum Teil deutlich. HDI, Gerling und Zürich stehen sich da nichts nach.
Die Rückversicherer versuchen umsonst, die Deiche zu schließen und das Abgleiten des Marktes in eine Niedrigpreisphase zu verhindern. Der Erfolg ist gemischt – auch weil es ausreichend Kapazität für die Erst- und für die Rückversicherung gibt.
Die Kundenseite nutzt dabei auch politische Waffen. Die Kartellverfahren gegen die Industrieversicherer wegen angeblich marktwidrigen konformen Verhaltens geben den Einkäufern von ThyssenKrupp, Siemens oder Telekom Rückenwind.
Jetzt drängen die Versicherungseinkäufer und Risikomanager großer europäischer Industriekonzerne auch die EU-Kommission, gegen fehlenden Wettbewerb und mangelnde Transparenz in der Unternehmensversicherung vorzugehen. Einen entsprechenden Vorstoß unternimmt die Ferma, das europäische Pendant zum DVS.
Ferma-Chef Thierry van Santen, im Hauptberuf beim Lebensmittelkonzern Danone für Versicherungen zuständig, erwartet ein deutliches Eingreifen der EU-Kommission als Ergebnis der seit Juni laufenden Sektorenuntersuchung der EU-Kommission im Bereich Unternehmensversicherung. „Jetzt wird über diesen Weg erreicht, was die Marktteilnehmer selbst nicht erreicht haben“, sagt van Santen.
Zitat:
“ „Wenn es in Bayern eine Flut gibt, zahlen die amerikanischen Versicherungskunden auch nicht mehr“ “ – Ralf Oelßner, Vorsitzender des Deutschen Versicherungs-Schutzverbandes –
Bild(er):
Drachenköpfe sollten dem Gegner Respekt einflößen. Dieser Kopf ist Schweifteil einer Pferderüstung und wurde um 1550 in Nürnberg von Kunz Lochner gefertigt – Picture-Alliance/KPA/HIP
Quelle: Financial Times Deutschland
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