Verband stellt Ansprüche auf Rückzahlungen in Frage und hofft auf Verjährung · Branche verspricht mehr Transparenz
Von Herbert Fromme, Berlin Die deutschen Lebensversicherer gehen davon aus, dass ein Großteil der nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) bestehenden Ansprüche früherer Kunden über mehrere Hundert Millionen Euro verjährt ist. „Das ist unsere juristische Auffassung“, sagte Günter Bost, Geschäftsführer beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), der FTD. Ob die Unternehmen sich auf die Verjährung berufen wollten, sei ihre Sache. „Wir geben hier keine Empfehlung“, sagte er.
Dasselbe gelte für die Frage, ob die Versicherer von sich aus alle betroffenen Kunden anschreiben müssen, die noch Ansprüche haben, oder nur auf ihren Antrag hin reagieren. Auch hier sei die Rechtslage klar. „Wer Leistungen begehrt, muss es selber melden“, sagte Bost. Ein Sprecher der Allianz Lebensversicherung sagte, die Gesellschaft prüfe zur Zeit alle mit dem Urteil verbundenen Fragen. „Wir können noch nicht sagen, wie wir damit umgehen.“
Der GDV versucht mit der Verjährungsoption, die Folgen des BGH-Urteils vom 12. Oktober für die Branche zu mildern. Das Gericht hatte geurteilt, dass Lebensversicherer Kunden, die ihre Verträge vorzeitig gekündigt haben, einen Mindestrückkaufswert zahlen müssen. Es geht um Verträge, die zwischen Ende Juli 1994 und Mitte 2001 abgeschlossen wurden. Damalige Klauseln zum Abzug von Stornogebühren nach der Kündigung seien unwirksam, so der BGH. Auch stehe diesen Kunden eine Mindestzahlung zu, die bei etwa 40 Prozent der eingezahlten Beiträge liegt.
Wenn Kunden in den ersten Jahren einen Vertrag kündigten, lagen die Rückzahlungen oft deutlich niedriger als die eingezahlten Beiträge. Die Versicherer zogen Abschlusskosten – vor allem Provisionen – und Stornogebühren ab. Nach dem BGH-Urteil stehen Hunderttausenden von Kunden Nachzahlungen zu. Der Branchendienst Map-Report schätzt, dass die Gesamtansprüche über 800 Mio. Euro liegen. Die Branche hat bisher keine Schätzungen veröffentlicht. Nach Auffassung des GDV sind Ansprüche aus dem BGH-Urteil dann verjährt, wenn die Verträge bereits vor 2000 gekündigt wurden. Dem widerspricht der Bund der Versicherten, der das BGH-Urteil mit erstritten hat. Er geht davon aus, dass die Verjährungsfrist erst mit dem Tag des BGH-Urteils einsetzt.
Die zögernde Haltung der Lebensversicherer zu den Ansprüchen steht in scharfem Kontrast zu ihrer gestrigen Ankündigung, künftig in der Lebensversicherung für mehr Transparenz zu sorgen. Das Produkt steht wegen vergleichsweise niedriger Rendite und inzwischen verminderter Steuervorteile unter zunehmendem Konkurrenzdruck. Vorschläge des GDV sollen in die geplante Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes eingebaut werden, sagte Bernhard Schareck, Vorstandschef der Karlsruher Versicherungsgruppe und Präsident des GDV. Damit reagiert die Branche erstmals offiziell auf das BGH-Urteil und ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die bisherige Praxis der Branche kritisiert hatte. Die Versicherer wollen künftig in den ersten fünf Jahren nach Vertragsabschluss ihren Kunden bei Kündigung einen Mindestrückkaufswert gewähren. „Wir sehen, dass zu niedrige Rückkaufswerte und drohender Vermögensverlust bei Kündigung in den ersten Vertragsjahren fortwährende Reibungspunkte darstellen“, sagte Schareck. Der Versicherungsnehmer werde so gestellt, als würden die Abschlusskosten über fünf Jahre verteilt.
Bei der Überschussbeteiligung will der GDV für bessere Transparenz sorgen und Zinszusagen der Gesellschaften auf einheitliche Basisdaten beziehen. Allerdings wollen die Versicherer auch künftig ihren Kunden nicht mitteilen, wie viel Geld von ihren Beiträgen verzinslich angelegt wird. Zwar sollen die Kosten offen gelegt werden, nicht jedoch der Teil des Beitrags, der für den Risikoschutz verwendet wird. „Das würde nur zur Verwirrung führen“, sagte Bost. Einige Gesellschaften – zum Beispiel die HUK Coburg – teilen diese Daten aber bereits mit.
„Nicht verhandelbar“ sei die Opposition der Branche gegen eine gesetzliche Festlegung von garantierten Rückkaufswerten für die Gesamtlaufzeit von Verträgen. Dann könnten Kunden bei heftigen Zinssprüngen plötzlich ihre Lebensversicherung kündigen, um das Geld hochverzinslich anzulegen, sagte Schareck. Das passe nicht zu den langen Laufzeiten von 20 bis 50 Jahren, sagte Bost.
Zitat:
„Das würde nur zur Verwirrung führen“ – GDV-Geschäftsführer Günter Bost –
Bild(er):
Einleuchtend wie ägyptische Hieroglyphen kommen vielen Kunden die Policen ihrer Lebensversicherung vor. Immerhin gelobt die Branche, die Transparenz zu erhöhen
www.ftd.de/gdv
Quelle: Financial Times Deutschland
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