Zahlreiche Industrieunternehmen haben Töchter, die eine auf den ersten Blick fremde Tätigkeit ausüben: Sie sind Versicherungsmakler.
Das Phänomen heißt „firmenverbundene Vermittler“. Ob ThyssenKrupp, Deutsche Telekom, Siemens oder Bayer: Kaum ein großer Konzern in Deutschland kommt ohne ein solches Spezialunternehmen aus. Historisch hat das damit zu tun, dass im deutschen Recht die Provisionsabgabe verboten ist. Das heißt, ein Makler darf eine vom Versicherer erhaltene Provision nicht mit dem Kunden teilen – wohl aber mit einem anderen Vermittler, der in das Geschäft eingeschaltet ist.
Inzwischen haben sich die firmenverbundenen Vermittler lange von der Rolle einer reinen Abschöpfungsinstanz emanzipiert. Sie sind in vielen Konzernen personenidentisch mit dem Risk Management. Das heißt, sie analysieren die Risikosituation eines Unternehmens, sorgen wenn möglich für technische und organisatorische Schutzmaßnahmen und kaufen den noch benötigten Versicherungsschutz ein. Bei vielen Gesellschaften betreiben sie sogar firmeneigene Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen, die so genannten Captives.
„Wir übernehmen im Rahmen des Risk Management Aufgaben für das Unternehmen, die nichts mit der reinen Versicherung zu tun haben“, sagt Hans-Otto Geiger, Chef des Vermittlers Palatina.
Palatina betreut die Versicherungsgeschäfte des hessischen Pumpenherstellers KSB. Der Vermittler entscheidet beispielsweise, welche Risiken gar nicht erst versicherungswürdig seien oder besser durch die firmeneigenen Versicherer oder noch andere Instrumente abgedeckt würden. „Das gehört bei einem externen Makler nicht automatisch zum Repertoire“, erklärt Geiger.
Die meisten firmenverbundenen Vermittler sind außerdem im Mitarbeitergeschäft tätig. Sie organisieren günstige Gruppentarife für den privaten Versicherungsschutz der Beschäftigten und verwalten diese Verträge, meistens unter Nutzung des Intranets des Mutterkonzerns. Das reicht von der Auto- über die Unfall- bis zur Berufsunfähigkeitsdeckung für Mitarbeiter.
„Das wird bei vielen Unternehmen als soziale Nebenleistung gern gesehen“, sagt Geiger. Dabei handele es sich keineswegs um ein Zuschussgeschäft. „Da kommt durch die Provisionen ja auch wieder etwas rein.“ Besonders stark gestiegen sind die Aktivitäten in der betrieblichen Altersversorgung, seit Anfang 2005 das neue Alterseinkünftegesetz in Kraft trat. Das nutzt dem firmenverbundenen Vermittler auch deshalb, weil das so verkaufte Lebensversicherungs geschäft ein Industrieunternehmen für Versicherer noch attraktiver als Kunden macht.
Einige firmenverbundene Vermittler betreiben aktiv das Fremdgeschäft, das heißt, sie vermitteln auch Versicherungsschutz für konzernfremde Unternehmen. So ist der Makler des Bayer-Konzerns, die Firma Pallas Versicherungs AG, auch für die kürzlich abgespaltene Chemiefirma Lanxess und deren Mitarbeiter tätig. Damit treten diese firmenverbundenen Vermittler in direkte Konkurrenz zu den Maklern. Aber in der Regel sind die großen Maklerhäuser eher Partner für Spezialversicherungen und Aktivitäten im Ausland, betont Geiger. „Wir greifen zum Beispiel außerhalb Deutschlands auch auf größere Makler als Korrespondenten zurück“, sagt er.
Geiger ist gleichzeitig Vorsitzender des Bundesverbandes firmenverbundener Versicherungsvermittler und -gesellschaften (BFV), der Interessenvertretung der Branche. Zu den Mitgliedern gehören unter anderem die Vermittler von DaimlerChrysler, Deutscher Bank und Deutscher Telekom, Eon, Metro, TUI, Rewe und RWE.
Nach Schätzungen des Verbandes werden rund 60 Prozent des Prämienvolumens in der deutschen Industrieversicherung von den firmenverbundenen Vermittlern betreut. „Wir sind daher auch für die Versicherer eine Macht.“ Als Faustregel gilt, dass ein Unternehmen ein Prämienvolumen von mindestens 2 Mio.Euro in der Industrieversicherung ausgeben muss, damit sich die Gründung einer firmenverbundenen Vermittlungsgesellschaft überhaupt lohnt.
Die starke interne Position der firmenverbundenen Vermittler gibt es in anderen Ländern so nicht. Unter Druck geraten die firmenverbundenen deshalb vor allem, wenn das Mutterunternehmen von ausländischen Firmen übernommen wird, die das Konzept so nicht weiterführen wollen oder die Versicherungsgeschäfte selbst vom Stammsitz aus betreiben, so Geiger.
Dazu kommt ein gewisser Konkurrenzdruck durch Großmakler, die gelegentlich glauben, sie könnten die Aufgaben eines firmenverbundenen Vermittlers preisgünstiger erledigen – und den Mutterhäusern entsprechende Übernahme- und Kooperationsangebote machen.
So erging es beispielsweise dem Versicherungsvermittler des ehemaligen Chemie- und Pharmaunternehmens Hoechst, Hoechst Versicherungsservice (HVS), der damals 60 000 Kunden verzeichnete. Ende 2000 kaufte das Maklerunternehmen Marsh HVS, nachdem Hoechst in der Aventis-Gruppe aufgegangen war. Vorher löste Aventis aber die Abteilungen, die den eigenen Versicherungsschutz des Konzerns regelten, aus der HVS heraus. HVS diente Marsh als Plattform, um im Firmenkundengeschäft mit Belegschaften – dem so genannten Affinity-Geschäft – Marktanteile zu gewinnen.
Der Drang der Großmakler zur Übernahme der firmenverbundenen hat inzwischen nachgelassen. Bei deutschen Firmen werde der firmenverbundene Vermittler kaum noch zur Disposition gestellt, meint Geiger.
Existenzbedrohend könnte nur eine Aufhebung des Provisionsabgabeverbotes sein. Für eine Abschaffung sieht Geiger aber auch unter der neuen Bundesregierung keine Anzeichen. „Das steht nicht auf der Tagesordnung.“
Zitat:
“ „Wir übernehmen Aufgaben, die nichts mit der reinenVersicherung zu tun haben“ “ – Hans-Otto Geiger, BFV –
Quelle: Financial Times Deutschland
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