Schutz gegen Pleiten wirdbilliger

Die Kreditversicherung boomt, die Gewinne sind hoch. Kein Wunder, dass die Konkurrenz unter den großen drei Anbietern deutlich zunimmt, das Angebot steigt, und die Preise sinken. Ein Grund: Viele Kunden fragen sich, ob sie das Risiko nicht selbst tragen können.

Von Herbert Fromme Ob KarstadtQuelle, General Motors oder Walter Bau – wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten gerät und seine Überlebensfähigkeit angezweifelt wird, hat eine diskrete Branche ihre Hausaufgaben schon gemacht. Die Kreditversicherer wissen zu jedem Zeitpunkt einer Krise ziemlich genau, wie teuer sie ein Kollaps käme. Gleichzeitig kennen sie viel besser als die Öffentlichkeit den tatsächlichen Zustand eines Wackelkandidaten – oft sogar besser als die beteiligten Banken.

Diese Spezialgesellschaften schützen ihre Versicherten gegen Zahlungsausfälle von Kunden. Als Walter Bau zahlungsunfähig wurde, blieben zahlreiche Lieferanten und Subunternehmer auf ihren Rechnungen sitzen. Wenn sie eine Kreditversicherung abgeschlossen hatten, erstattete ihnen der Versicherer zumindest den größten Teil der offenen Summen. Der Großschaden kostete die Branche knapp 300 Mio. Euro.

„Gleichzeitig erhalten unsere Kunden schon im Vorfeld enorme Informationen über die Bonität ihrer Kunden, die weit über das hinausgehen, was sie selbst wissen“, sagt Clemens von Weichs, Chef der Kreditversicherungsgruppe Euler Hermes. Die Allianz-Tochter ist Weltmarktführer und auch größter Anbieter in Deutschland. „Nehmen Sie an, Sie produzieren Schrauben und liefern sie an einen Automobilzulieferer“, sagt von Weichs. „Da er die Schrauben braucht, wird er sie so lange wie möglich bezahlen. Aber Sie merken nicht, ob er auch das Papier für seine Fotokopierer oder die Miete für die Büros bezahlt. Wir dagegen wissen das.“

In Datenbanken halten die Kreditversicherer Einzelheiten über mehr als 40 Millionen Unternehmen weltweit – und haben so eine solide Basis für ihre Entscheidungen.

Die Kreditversicherung ist hochprofitabel. Die drei dominierenden Gesellschaften Euler Hermes, Atradius (früher Gerling NCM) und Allgemeine Kredit (AK) Coface verdienen gut. „Die Schaden-/Kostenquote unseres Unternehmens liegt bei 80 Prozent“, sagt Peter Ingenlath, Vorstandsmitglied der Atradius-Gruppe in Amsterdam und zuständig für den deutschen Markt. Pro Prämien-Euro muss Atradius also nur 80 Cent für Schäden sowie Verwaltungs- und Vertriebskosten ausgeben. In manchen Versicherungssparten beträgt der Wert weit über 90 Prozent, gelegentlich über 100 Prozent. Von 80 Prozent Schaden-/Kostenquote spricht auch Benoît Claire, Vorstandschef bei AK Coface in Mainz. Euler-Hermes-Chef von Weichs nennt rund 70 Prozent für sein Haus.

Wenn der Gewinn so kräftig sprudelt, suchen die Unternehmen mehr Marktanteil – und sind dafür auch bereit, beim Gewinn etwas nachzugeben. Dabei schenken sie sich nichts. „Wir haben nichts dagegen, wenn unsere Schadenquote etwas höher ausfällt“, sagt Coface-Manager Claire. „Im Einzelfall ist die Konkurrenz unglaublich aggressiv“, bestätigt von Weichs. „Wir sind gerade in einem Fall ausgestiegen, weil die Prämie 2006 um 50 Prozent unter dem jetzigen Stand liegen sollte.“ Alle drei Unternehmen betonen, dass ihr Appetit auf Risiko gestiegen ist. Sie haben trotz sinkender Prämien die Volumen, die sie zum Risikoschutz zur Verfügung stellen, um 10 bis 15 Prozent ausgeweitet.

Dabei bleibt der Markt eng. Der Umsatz wächst zwar, aber nur weil die Exporte boomen. „Wir erwarten für den Markt eine Zunahme der Prä mieneinnahmen von fünf Prozent für 2005“, sagt Claire. „Das wird vom Export getragen. Der Markt für einheimische Risiken verläuft flach.“

Es ist schon fast ironisch, dass für diesen Mangel an Nachfrage die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage vieler Unternehmen in den vergangenen Monaten verantwortlich ist. „Der größte Wettbewerber ist die Selbstversicherung“, sagt Atradius-Manager Ingenlath. „Mittelständler argumentieren. Wir haben im Moment so wenig Forderungsausfälle, da brauchen wir die Kreditversicherung nicht mehr.“

Ähnliche Erfahrungen hat von Weichs von Euler Hermes gemacht. „Diese Unternehmen glauben dann, wieder einsteigen zu können, wenn sich die Lage verschlechtert.“ Von Weichs bezweifelt, dass der Mittelstand wirklich ermessen kann, ob sich die Lage vor allem bei entfernteren Unternehmen verschlechtert. Deshalb seien hohe Verluste aus Konkursen bei Kunden möglich.

Mit Beiträgen von durchschnittlich zwei Promille des Umsatzes sei die Kreditversicherung nicht wirklich teuer, sagt von Weichs. Der Verkauf von Forderungen, das so genannte Factoring, koste mehr. „Das kommt gerade Unternehmen mit hohem Umsatz deutlich teurer.“

Alle Kreditversicherer haben in den letzten Monaten ihre Geschäftsvorgänge umgestellt. Sie werden schneller in den Kreditentscheidungen – und kundenfreundlicher. „Geschwindigkeit und Antwortzeit sind die Zauberwörter“, sagt Claire von AK Coface. „Wir beantworten fast alle Kreditanfragen innerhalb von zwei Tagen.“ Gleichzeitig habe das Unternehmen die Quote von positiv beschiedenen Anfragen erhöht. „Wir sind großzügiger geworden.“ Ähnlich äußert sich von Weichs. „In der Form sind wir schneller und freundlicher. Der Kunde bekommt schnell eine Antwort. Und es gibt auch wieder Ansprechpartner für sie.“

Peter Ingenlath von Atradius will mit vereinfachten, neuen Angeboten in ein Marktsegment vorstoßen, dass den Kreditversicherern bisher meistens verschlossen blieb – die kleineren Unternehmen mit 7,5 Eurobis 10 Mio. Euro Umsatz. „Oft ist die Kreditversicherung heute noch zu komplex. Wir wollen das Ganze vereinfachen und dafür das Internet nutzen.“

Erfahrung hat Atradius mit solch radikalen Vereinfachungen schon gesammelt. Zur Gruppe gehört auch Trusted Shops, ein Versicherer für Kunden, die online bestellen. Das ganze System läuft vollautomatisch, der Gewinn ist überdurchschnittlich.

Zitat:

“ „Die Konkurrenz ist unglaublich aggressiv“ “ – Euler-Hermes-ChefClemens von Weichs –

Bild(er):

In hochalpinen Gefilden braucht der Bergsteiger einen Eispickel. Das vielseitige Gerät dient als Gehunterstützung, zum Klettern auf Eis oder zum Abbremsen eines Sturzes – Euler Hermes/Cassin Edelried

Quelle: Financial Times Deutschland

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