Schönfärben hilft nicht weiter

Spirituosen- und Zigaretten hersteller stehen besonders in der Kritik, weil von ihren Produkten auch Gefahr ausgeht. CSR-Aktivitäten sind hier besonders wichtig. Im besten Falle schützen sie vor Verboten

VON Patrick Hagen Die Lobbyisten für Alkohol, Tabak und Schusswaffen nennen in der Filmsatire „Thank You for Smoking“ ihren Stammtisch „Tödlich, aber gut“. Bei ihren Treffen wetteifern sie darum, welche Branche die meisten Toten zu verantworten hat. Sieger in diesem Vergleich ist der Tabaklobbyist Nick Naylor. So viel Zynismus können sich Alkohol- und Zigarettenhersteller in der Wirklichkeit längst nicht mehr leisten.

Anleger und Investoren achten immer mehr darauf, wem sie ihr Geld geben, und auch die Konsumenten sind wachsamer geworden. Skandale wegen Umweltsünden oder Kinderarbeit können Umsatzeinbußen und Imageschäden bedeuten. Immer mehr Unternehmen bemühen sich deshalb darum, sich als sozial verantwortlich handelnder Teil der Gesellschaft darzustellen. Für dieses Handeln, das über die reine Geschäftstätigkeit hinausgeht, hat sich die Bezeichnung Corporate Social Responsibility (CSR) eingebürgert.

Schwierig ist CSR für Firmen, deren Produkte selbst im Visier einer kritischen Öffentlichkeit stehen: Zigarettenhersteller, Schnapsbrenner und Wettbüros stehen ganz oben auf der schwarzen Liste der Jugendschützer. „Für Firmen, deren Produkte gesundheitsschädlich sind, ist es schwieriger, glaubwürdiges gesellschaftliches Engagement zu zeigen“, sagt Norbert Taubken, von der Hamburger Beratungsfirma CSR Consult. Mit Spendenaktionen oder Sponsorings alleine könnten Tabak- oder Spirituosenhersteller keine Imageverbesserung erreichen. „Sie sollten ihre CSR-Aktivitäten auf ihr Kerngeschäft konzentrieren.“ Da sie an der Gefährlichkeit der Produkte im Großen und Ganzen nichts ändern könnten, empfiehlt er ihnen, Transparenz über die Herstellung der Produkte und ihre gesundheitlichen Auswirkungen zu schaffen.

Aber nicht nur Alkohol und Zigaretten sind heikle Produkte. Auch die Ernährungsindustrie gerät zunehmend unter Druck: Studien zeigen, dass der Verzehr von ungesunden Fertigprodukten die Fettleibigkeit von Kindern und Erwachsenen fördert. Telekommunikationsunternehmen und Klingeltonanbieter müssen sich vor der Öffentlichkeit wegen Jugendlichen verantworten, die sich verschuldet haben.

„Die Unternehmen in diesen Branchen müssen sich dem Dialog mit zivilgesellschaftlichen Gruppen stellen und deren Bedenken aufgreifen“, sagt Taubken.

Der Tabakhersteller British American Tobacco (BAT) hat damit bereits vor fünf Jahren begonnen. Einmal im Jahr trifft der zweitgrößte Zigarettenproduzent der Welt sich mit seinen Kritikern. „Wir wollen dafür sorgen, dass unser Geschäft so weit wie möglich mit den gesellschaftlichen Erwartungen übereinstimmt“, sagt die CSR-Beauftragte von BAT, Karin Müller. „Das ist besonders wichtig, da das Produkt so umstritten ist.“ Ein Kernpunkt in den Treffen mit den Tabakkritikern ist der Jugendschutz.

BAT unterstützt darum nach eigenen Angaben die Automatenaufsteller bei der Umrüstung der Zigarettenautomaten auf Geldkarten, unterwirft sich Werbebeschränkungen und hat die Internetseiten seiner Zigarettenmarken mit einem Jugendschutz-System ausgestattet. Besucher der Seiten müssen zuvor ihre Personalausweisnummer angeben.

Der Gegenwind für die Zigaretten- und Alkoholhersteller ist stärker geworden. Konsumentenboykotte brauchen sie zwar nicht zu fürchten, ihnen drohen aber Gewinneinbußen durch Steuererhöhungen oder schärfere Gesetze. Die EU-Kommission will die Alkoholsteuer erhöhen. Rauchverbote sind in Europa auf dem Vormarsch, auch wenn es in Deutschland zunächst wohl nicht zu einem generellen Verbot von Zigarettenkonsum in Kneipen und Restaurants kommen wird. Eine gute CSR-Strategie kann Unternehmen helfen, solche Einschränkungen im Vorfeld zu verhindern, sagt Berater Taubken. „Die Hersteller müssen von sich aus bestimmte Themen aufgreifen.“ Das haben mittlerweile auch die Unternehmen erkannt. In einer Kampagne der Zigarettenfirma BAT, die für Rücksicht gegenüber Nichtrauchern wirbt, heißt es: „Ohne Rücksicht ist bald Schluss mit Rauchen.“ Die Spirituosenbranche hat dies schon einmal erleben müssen. Vor zwei Jahren beschloss der Bundestag eine Sondersteuer von 84 Cent auf Alcopops.

Die bunten und süßen Mischgetränke, die kaum nach dem enthaltenen Schnaps schmecken, begeisterten vor allem Jugendliche für Alkohol. Die Öffentlichkeit reagierte empört. Fernsehbeiträge zeigten betrunkene Minderjährige, die Alcopops in Massen konsumierten. Die Hersteller verloren doppelt: Die Sondersteuer sorgte dafür, dass der Verkauf der Mischgetränke einbrach. Zudem hatten sie nun ein massives Imageproblem. „Die Erfahrung mit den Alcopops hatte für uns einen Katalysatoreffekt“, sagt Christian Cordes, der Sprecher von Bacardi Deutschland. „Es muss im ureigenen Interesse aller Alkoholhersteller sein, Missbrauch zu bekämpfen.“

Bacardi reagierte und gab sich einen Kodex, im dem verantwortungsvolles Handeln festgeschrieben ist. Wichtigster Punkt: „Jugendliche sind keine Kunden.“ Auch um das Problem Alkohol im Straßenverkehr kümmert sich Bacardi. Bei einer vom Unternehmen gesponserten Partyreihe bekommen Gäste, die mit dem Auto gekommen sind, kostenlos alkoholfreie Getränke.

Zitat:

“ „Die Hersteller müssen von sich aus bestimmte Themen aufgreifen“ “ – CSR-BeraterNorbert Taubken –

Quelle: Financial Times Deutschland

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