Versicherer und Aufsicht sollen künftig deutlich mehr offenlegen · Juristen warnen davor
Von Herbert Fromme V ersicherer werden unter dem neuen Solvency-II-Regime deutlich mehr interne Informationen veröffentlichen als bisher. Auch die Aufsicht entwickelt künftig einen regelrechten Datenhunger. In der Branche gibt es die Sorge, dass damit „englische Verhältnisse“ in der gesamten EU um sich greifen. Die dortige Aufsicht veröffentlicht regelmäßig die Namen von Gesellschaften oder Einzelpersonen, denen Vorwürfe gemacht werden. In Deutschland dagegen arbeitet die Aufsicht eher lautlos – Maßnahmen wie die Entfernung eines Vorstands werden in der Regel nach einem Hinweis der BaFin vom betroffenen Unternehmen selbst vorgenommen. Auch wenn sie selbst direkt tätig wird – die BaFin redet nicht über ihre Aktionen.
Für Unruhe in der Branche sorgt die Säule 3 des Systems, die Markttransparenz herstellen soll. Säule 1 umfasst die quantitativen Eigenkapitalanforderungen, Säule 2 die qualitative Aufsicht.
Zweck der neuen Transparenz durch Säule 3 ist Marktdisziplin – durch Offenlegung der Risikosituation sollen die Unternehmen dazu gezwungen werden, vernünftig mit ebendiesen Risiken umzugehen.
Für die Kunden bedeutet eine solche Veröffentlichungspflicht, dass sie ihre Entscheidungen verstärkt an den Daten des Unternehmens ausrichten können, so das Kalkül der EU.
Am 20. März hat die europäische Vereinigung der Versicherungsaufseher, Ceiops, ihr Papier mit Vorschlägen an die EU-Kommission zur Säule 3 veröffentlicht.
Darin entwickelt Ceiops weitreichende Ideen, was Unternehmen unter Solvency II alles veröffentlichen sollen. Das reicht von der detaillierten Beschreibung der Strategie bis zur Begründung, warum das Management eine Strategie wechselt. Personen weit über Vorstand und Aufsichtsrat hinaus, eine genaue Aufgliederung von Reserven und Rückversicherungsarrangements, Kapitalstärke und Risikopositionen sollen veröffentlicht werden.
„Ceiops geht davon aus, dass Markttransparenz und Veröffentlichungspflichten über das Kapitalmanagement ein wichtiger Bestandteil der Solvency-II-Regeln sind“, schreibt die Organisation. „Ceiops sucht Wege zur Erhöhung der Transparenz, verglichen mit der heutigen Situation.“
Dazu gehört auch, dass Verstöße gegen die Eigenkapitalanforderungen sofort der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden.
Ansonsten sollen die Enthüllungen mindestens einmal jährlich stattfinden, so Ceiops. Dabei stelle sich dann die Frage, sagt der Jurist Manfred Wandt vom Frankfurter Institut für Versicherungsrecht, ob die EU wirklich den Aufsehern das Recht geben will, einzelne Maßnahmen gegen Unternehmen zu veröffentlichen oder den Vorstand des Unternehmens zu zwingen, das zu veröffentlichen.
Eine solche Politik des „Naming and Shaming“, wie sie in angelsächsischen Ländern üblich ist, berge Gefahren, sagt Wandt. Er warnt davor, dass durch eine solche Veröffentlichung die Grenze zwischen Verhaltenssteuerung und Bestrafung überschritten wird. Wandt verlangt, dass die Veröffentlichungsbefugnis der Aufsicht in Bezug auf qualitative Aussagen über Unternehmen „eher restriktiv“ ausgestaltet werden sollte. Ein Grund dafür sei der effektive Rechtsschutz, gerade auch der einstweilige Rechtsschutz.
Zitat:
„Ceiops sucht Wege zurErhöhung der Transparenz“ – Ceiops-Stellungnahme –
Quelle: Financial Times Deutschland
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