Assekuranz muss Kunden stärker an stillen Reserven beteiligen · Änderungen durch neues Gesetz
Kunden der Assekuranz werden künftig sehr viel mehr Rechte haben als heute, wenn 2008 das neue Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in Kraft tritt. Die Anbieter müssen dann mehr Informationen preisgeben und in mehr Fällen Schäden regulieren.
Das VVG regelt Rechte und Pflichten von Assekuranz und Versicherungsnehmern. Bei der Reform musste das Bundesjustizministerium Vorgaben aus zwei Urteilen zur Lebensversicherung berücksichtigen. Der Bundesgerichtshof hatte entschieden, dass bei Vertragskündigung Stornoabzüge des Anbieters unzulässig sind, wenn sie mehr als 50 Prozent betragen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts müssen Versicherer Kunden stärker als bisher an den Gewinnen beteiligen, die mit ihren Beiträgen erwirtschaftet werden.
Stille Reserven „Erstmals erhält der einzelne Versicherungsnehmer auch einen Anspruch auf Beteiligung an den stillen Reserven“, sagte Justizministerin Brigitte Zypries. Dabei geht es um noch nicht realisierte Gewinne aus Kapitalanlagen. Kunden, auch die mit älteren Verträgen, sollen ab 2008 mindestens zu 50 Prozent an den stillen Reserven beteiligt werden, wenn der Vertrag zur Auszahlung kommt. Erwartungen, das sie künftig mehr Geld bekommen, dämpft der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. „Die Politik kann durch gesetzliche Änderungen nicht mehr Geld schaffen“, sagte ein Sprecher. Auch früher hätten die Unternehmen Kunden an den stillen Reserven beteiligt.
Abschlusskosten In Zukunft müssen die Abschlusskosten für Lebensversicherungen, das sind vor allem Provisionen für Vermittler, auf mindestens fünf Jahre gestreckt werden. Damit will der Gesetzgeber verhindern, dass Kunden nach der Kündigung kurz nach Abschluss kaum etwas von den eingezahlten Beiträgen zurückbekommen. Das ist heute häufig der Fall, weil die meisten Versicherer mit dem Geld aus den ersten Prämien den Vermittler honorieren, die sogenannte Zillmerung.
Der Bund der Versicherten begrüßt die Neuerung als Schritt in die richtige Richtung, hält sie aber für nicht weitgehend genug. „Wir hätten uns ein Verbot der Zillmerung gewünscht, also die Verteilung der Abschlusskosten auf die gesamte Laufzeit“, sagte Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten.
In der Lebens- und Krankenversicherung müssen die Anbieter dem Käufer die Höhe der Abschlusskosten offenlegen. Auch das geht Verbraucherschützern nicht weit genug. „Der Gesetzgeber ist den Weg nicht konsequent genug gegangen“, sagte Rudnik. Seiner Auffassung nach sollten Versicherer dem Kunden offenbaren, wie viel Geld von seinem Beitrag angespart wird und wie viel das Unternehmen für Verwaltungs- und Risikokosten abzieht. Manche Versicherer teilen das Kunden heute schon mit, andere weigern sich hartnäckig.
Alles oder nichts In der Sachversicherung schafft der Gesetzgeber das Alles-oder-Nichts-Prinzip ab. Bisher muss der Versicherer bei grober Fahrlässigkeit nicht zahlen. Lässt der Kunde heißes Fett in der Pfanne unbeaufsichtigt und die Wohnung brennt ab, geht er leer aus. Künftig muss der Versicherer berücksichtigen, wie lange und warum der Kunde die Küche verlassen hat und einen Teil des Schadens tragen.
Informationspflicht Auch bei den Informationspflichten verschiebt sich einiges zu Gunsten des Verbrauchers. Der Kunde muss vor Vertragsabschluss nur noch Gefahrenumstände oder Vorschäden angeben, nach denen er in Textform gefragt wird. Große Bedeutung hat das für Kunden, die eine private Kranken- oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen. Versicherer fragen vor Vertragsabschluss sehr allgemein nach Vorerkrankungen. Auch wenn der Kunde ohne bösen Willen Vorfälle aus der Vergangenheit nicht angibt, etwa weil er sie nicht für wichtig hält, kann der Anbieter bisher bei Eintritt des Versicherungsfalls mit Hinweis auf die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflichten vom Vertrag zurücktreten – und zwar auch viele Jahre nach Unterzeichnung. „In 50 Prozent der Fälle, in denen der Versicherer nicht zahlen will, begründet er das mit einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflichten“, berichtete Rudnik.
Kunden vergessen häufig, Allergien oder Rückenbeschwerden anzugeben. Künftig muss der Versicherer explizit danach fragen, wenn er später mit Hinweis auf nicht genannte Vorerkrankungen vom Vertrag zurücktreten will. Bei den Antworten zu mogeln, lohnt sich nicht. „Kunden sollten Gesundheitsfragen mit äußerster Sorgfalt beantworten“, sagte Rudnik. Er erwartet, dass die Fragebögen der Versicherer in Zukunft länger sein werden. „Die strengere Risikoprüfung ist für den Verbraucher aber kein Nachteil.“
Gleichzeitig verpflichtet der Gesetzgeber die Assekuranz zu einer besseren Information des Kunden vor Vertragsabschluss. Vermittler müssen Verbraucher eingehend beraten und dies dokumentieren.
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Akten über Akten: Mit der Gesetzesreform werden die Papierberge zwar größer. Umfangreichere Verträge und Informationsmaterialien geben den Versicherungsnehmern aber mehr Sicherheit – Tom Lehne/FTD-Montage
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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