Steiniger Weg zur Zusatzqualifikation

Fachanwälte für Versicherungsrecht sind gefragt. Doch zur Fortbildung gehören zehn Gerichtsfälle in drei Jahren – und das ist kaum zu schaffen dsfgsd fs

Fachanwältin für Versicherungsrecht – für Birgit Langenbeck schien das eine erfolgversprechende Spezialisierung. Kaum war die neue Fachanwaltschaft etabliert, schrieb sich die Kölner Juristin für den ersten Theoriekurs ein und absolvierte die vorgeschriebenen 120 Fortbildungsstunden. Doch dann folgte die Enttäuschung. Zur Qualifikation muss ein Anwalt 80 Fälle innerhalb von drei Jahren nachweisen, davon zehn vor Gericht. „Wer nur die Kunden vertritt und nicht die Versicherer selbst, kann diese Zahl kaum erreichen“, sagt Langenbeck. Das Problem sehen auch die Experten und ziehen Änderungen in Erwägung.

Die Versicherungsunternehmen nehmen vor allem die Dienste der großen, spezialisierten Sozietäten in Anspruch. Kleine Kanzleien tun sich mit der Fachanwaltschaft deshalb schwer. Auf den zusätzlichen Titel musste Langenbeck verzichten. Sie hat sich als Fachanwältin für Mietrecht qualifiziert.

Diesen Trend bestätigt auch Hubert van Bühren, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein und Präsident der Rechtsanwaltskammer Köln. „Eigentlich sind es nicht viele Fälle, trotzdem sind sie kaum zu erreichen, wenn man nicht für Versicherer tätig ist.“ Denn selbst wer viele klagewillige Versicherungskunden zu seinen Mandanten zählt, landet nur selten mit den Fällen vor Gericht. „Versicherer scheuen generell eher die Gerichte, weil die Urteile oft verbraucherfreundlich sind. Die Unternehmen suchen daher oft den außergerichtlichen Vergleich“, sagt van Bühren.

Die Voraussetzungen für die Spezialisierung müsse man deshalb überdenken, erklärt der Experte, der selbst die Einführung der Fachanwaltschaft in der Standesvertretung durchgesetzt hat. „Das Entscheidende sind die theoretischen Kenntnisse.“ Van Bühren macht keinen Hehl aus seiner Meinung, dass der Fachanwalt beide Seiten, also Versicherer und Versicherte, vertreten sollte.

Im November 2002 beschloss die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer die Einführung der neuen Fachanwaltschaft. 2004 gab es die ersten Fachanwälte für Versicherungsrecht, es waren nur 14. Heute weist die Statistik des Deutschen Anwaltvereins 588 dieser Spezialisten aus. „Bei 1000 bis 1200 wird Schluss sein“, sagt van Bühren. Er selbst hat die Zusatzqualifikation auch erworben. „Es ist eine Marktnische, die ich nur empfehlen kann.“

Auf der Verbraucherseite habe sich die Zusatzqualifikation allerdings noch nicht durchgesetzt. Dabei nutze sie gerade den Kunden und verbessere ihre Erfolgschancen. „Die Versicherer hatten doch längst ihre Spezialisten.“ Die Nachfrage von privaten Mandaten werde sich aber ab kommendem Jahr mit dem neuen Versicherungsvertragsgesetz ändern, prognostiziert er. Dann sei grundsätzlich der Wohnort des Kunden für den Gerichtsstand entscheidend und nicht mehr der Sitz des betroffenen Versicherungsunternehmens. Das senke die Schwelle für gerichtliche Auseinandersetzungen mit dem Versicherer, und Kunden würden sich dann verstärkt nach einem geeigneten Anwalt vor Ort umschauen, sagt van Bühren.

Bedarf für zusätzliche Qualifikation von Anwälten im Versicherungsbereich sieht auch Robert Koch, Professor für bürgerliches Recht und Versicherungsrecht an der Uni Hamburg. Er ist akademischer Leiter des neuen Masterstudiengangs für Versicherungsrecht. Im Oktober startet der erste Jahrgang mit dem 18-monatigen Kurs.Euro

Damit wird Hamburg nach Münster der zweite Standort sein, an dem Juristen – und in Einzelfällen auch Betriebswirte – sich zum Master of Law weiterqualifizieren können. Der theoretische Teil für die Fortbildung zum Fachanwalt für Versicherungsrecht ist ein Bestandteil des Kurses.

Junge Anwälte aus Großkanzleien sieht Koch als ideale Zielgruppe. Bei den ersten zwölf Teilnehmern sind diese allerdings noch in der Minderheit. Vor allem Mitarbeiter von Versicherungsunternehmen und Maklern haben sich eingeschrieben. „Da gibt es wohl einen großen Qualifizierungsbedarf“, so Koch. Drei Semester lang müssen die Studierenden für drei Tage im Monat an der Universität präsent sein, danach folgt die Masterarbeit. Die Konzeptionäre des Studiengangs haben sich einen möglichst umfassenden Einblick in die verschiedenen Gebiete des Versicherungsrechts auf die Fahnen geschrieben, erklärt Koch. Außerdem gibt es Schwerpunkte, die mit dem Standort Hamburg in Verbindung stehen, wie Seeversicherungsrecht oder Transportversicherung. Internationales Versicherungsrecht und Rückversicherungsrecht sieht der Professor als weitere Besonderheiten.

In der universitären Jura-Ausbildung friste das Versicherungsrecht eher ein Schattendasein, so Koch. Viele Juristen merkten erst im Berufsleben, wie wichtig ein Wissensvorsprung durch Spezialisierung sei. „Wer sich mit Versicherungsrecht beschäftigt, hat auf dem Arbeitsmarkt keine Probleme“, sagt er.

Bild(er):

Fechten gehört neben Boxen und Ringen zu den ersten Wettkampfarten, mit denen Menschen Ruhm erlangen wollten. Die Bildfolge aus dem späten 19. Jahrhundert zeigt nackte Athleten beim Wechsel von Angriff, Parieren und Riposte, dem Gegenangriff – CORBIS/Hulton-Deutsch Collection; Getty Images/Photonica/Veer

Katrin Berkenkopf

Quelle: Financial Times Deutschland

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