Die Betriebskrankenkassen ringen um Modelle für ihren künftigen Marktauftritt. Umstritten ist dabei die Rolle der entmachteten Verbände
Von Ilse Schlingensiepen, Köln Die Betriebskrankenkassen (BKK) ringen um ein Konzept für ihre Positionierung im Markt. Während die Verbände und einige Kassen eine BKK Gemeinschaftsunternehmen GmbH gründen wollen, setzen andere Kassen auf eine schlankere Service AG.
Es geht dabei um die strategische Positionierung der BKKs in den kommenden Jahren und um die Rolle der Kassen. Mit der Gesundheitsreform soll ein Spitzenverband Bund geschaffen werden – gegen den Widerstand der Krankenkassen. Er wird ab Juli 2008 die Aufgaben der Kassen-Bundesverbände übernehmen. Nun arbeiten diese an neuen Organisationsmodellen, um ihren Einfluss zu wahren.
„Wir wollen das vorhandene Know-how bündeln und damit gemeinsam am Markt agieren“, erläutert der Sprecher des BKK Bundesverbands das BKK Gemeinschaftsunternehmen. Man wolle eine Dienstleistungsgesellschaft für die Mitgliedskassen schaffen, die von den acht BKK-Landesverbänden und den Kassen selbst getragen wird. Zu den Tätigkeitsfeldern gehören neben der Interessenvertretung die Rechtsberatung und das Vertrags- und Beschaffungsmanagement. Bei Verträgen mit Ärzten oder der Pharmaindustrie profitierten die Kassen vom gemeinsamen Auftritt, so der Sprecher.
Die Organe der GmbH sollen paritätisch mit Vertretern von Kassen und Verbänden besetzt werden, Entscheidungen benötigen eine Dreiviertelmehrheit. Finanzieren soll sich das Unternehmen zum Teil über eine Umlage, zum Teil über die jeweils in Anspruch genommenen Dienste.
Das Konzept wird am 12. Oktober in Berlin allen Betriebskrankenkassen vorgestellt. Dann wird sich zeigen, ob es eine Mehrheit findet.
„Ich gehe davon aus, dass sich viele BKKs für eine Beteiligung am Gemeinschaftsunternehmen aussprechen werden“, sagt Hans-Joachim Röminger, Vorstandsvorsitzender der Pronova BKK. Er hält das Zusammenwirken von Verbände- und Kassenvertretern für einen Vorteil des Konzepts. „Das gibt eine große Möglichkeit der Umgestaltung.“
Die Koordination und Steuerung des Vertragsgeschäfts sei eine zentrale Funktion – hier brauche man den Sachverstand aus dem Bundesverband. „Mit einheitlichen Verträgen können wir ganz anders auf Vertragspartner wie Kassenärztliche Vereinigungen oder Pharmaunternehmen zugehen“, sagt Röminger. Wichtig sei auch eine neue Einkaufsplattform.
Dafür muss man die Verbände aber nicht ins Boot holen, sagt Hans Unterhuber, Vorstandsvorsitzender der Siemens-BKK, einer der Treiber der Service AG. „Das Gemeinschaftsunternehmen ist kein marktwirtschaftliches System, sondern ein politisches, das auf Proporz ausgerichtet ist“, kritisiert er.
Die Hürde der Dreiviertelmehrheit mache das Konstrukt entscheidungsunfähig. „Schnelligkeit und Entscheidungsfähigkeit sind aber das Wichtigste“, sagt Unterhuber. Im Vertragsgeschäft brauche man flexible Einheiten. Verträge müssten ohnehin nicht für alle Mitglieder gelten. Besser sei es, wenn Kassen sich punktuell zusammenschließen. „Ich will doch nicht mit allen Landesverbänden über einen Integrationsvertrag für meine Versicherten diskutieren.“
Nach Angaben von Unterhuber wollen zwölf Kassen in den nächsten Wochen die AG gründen, insgesamt 30 hätten Interesse bekundet. „Die Satzung ist fertig, das Konzept steht“, sagt er. Erste Aufgaben werden der Hilfsmitteleinkauf und das Aushandeln von Rabattverträgen sein. „Wir werden das dann zügig ausbauen.“ Kommen weitere Kassen hinzu, geht es an die Versorgungsverträge mit Ärzten.
Zitat:
„Schnelligkeit und Entscheidungsfähigkeit sind wichtig“ – Hans Unterhuber, Vorstand Siemens BKK –
Quelle: Financial Times Deutschland
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