Brüssel zieht die Zügel an

Jahrzehntelang waren Versicherungsmakler der EU-Kommission und den Behörden ziemlich egal. Das ändert sich. Die Folgen treffen nicht nur Vermittler, sondern gelegentlich auch die Industriekunden dsfgsd fs

VON Herbert Fromme Für viele Versicherungsmakler ist das ein Horrorszenario: Provisionszahlungen vom Versicherer sind verboten, sie dürfen sich ausschließlich von ihren Kunden per Honorar bezahlen lassen. Das Umsatzvolumen wäre mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich kleiner als jetzt, zahlreiche Dienstleistungen, die ein Makler vorhält, würden ökonomisch unmöglich.

In der Nachbarschaft ist dieses Modell bereits Realität. Das EU-Mitglied Finnland hat mit dem Versicherungsvermittlergesetz, das am 1. September 2005 in Kraft trat, den Maklern im hohen Norden die Annahme von Provisionszahlungen durch die Versicherer ausdrücklich verboten. Das Verbot gilt nach einer Übergangsfrist ab September nächsten Jahres.

In Dänemark verbietet das Vermittlergesetz die Zahlung von Provisionen an Makler ab Juli 2011. Schon heute haben Versicherer, Makler und Kunden in beiden Ländern weitgehend auf Nettoverträge umgestellt. Dabei zahlt der Kunde dem Makler ein Honorar, der Versicherer gibt keine Provision an den Vermittler. Dänische Verkäufer dürfen Provisionen von ausländischen Versicherern weiter annehmen – müssen sie aber voll an den Kunden weitergeben.

In Schweden hat der Versicherungsverband schon 2003 eine Empfehlung an Mitgliedsunternehmen veröffentlicht, auf Provisionsvereinbarungen mit Maklern zu verzichten. Ähnliches gilt für das Nicht-EU-Mitglied Norwegen. In beiden Ländern ist es verpönt, gleichzeitig Zahlungen von Kunden und Versicherern anzunehmen. In Oslo bereitet die Regierung gerade ein Gesetz vor, das Provisionen ausdrücklich verbietet. „Der Vorschlag wurde erarbeitet, da es Zweifel an der Unabhängigkeit der Makler gibt, weil sie Provisionen von Versicherern erhalten“, sagte Hanne Myre, Chefin der norwegischen Versicherungsaufsicht.

Vor diesem Hintergrund sehen viele Vermittler mit Unbehagen die Pläne der Maklerfirma Marsh, in Deutschland bei Nettoverträgen neben dem Honorar vom Kunden auch 2,5 Prozent Servicegebühr vom Versicherer zu verlangen – als Entlohnung für die Dienstleistung, die der Makler für die Gesellschaft erbringt.

Noch sind die Provisionsverbote auf die nordischen Länder begrenzt. Aber es gibt weitsichtige Fachleute in der Branche, die bei der EU-Kommission ähnliche Absichten wittern. Die EU, die sich vorher nie für Industrieversicherung oder Makler interessiert hatte, hat eine Sektorenuntersuchung über die Firmenversicherung durchgeführt.

Im Abschlussbericht vom September 2007 fanden die Autoren deutliche Worte. Zwar könnte der Vertriebsweg Versicherungsmakler den Marktzugang ausländischer Anbieter erleichtern und deshalb den Wettbewerb in der Versicherung von Unternehmen fördern. „Aber die vorherrschende Methode der Entlohnung für die Makler, nämlich die von den Versicherern gezahlten Provisionen, zeigt einen Mangel an Transparenz, wenn es um die – unterschiedlichen – Preise für Versicherungsschutz und Vermittlungsdienstleistung geht“, erklärte die Abteilung Wettbewerb. „Das reduziert den Wettbewerb im Markt und ist anfällig für Interessenkonflikte, die den Kunden schaden und zu höheren Preisen führen könnten.“

Bei den praktischen Schlussfolgerungen aus ihrer Untersuchung hielt sich Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes zurück – bislang jedenfalls. Die Kommission gedenke, die Fragen erneut bei der Überarbeitung ihrer Richtlinie über Versicherungsvermittlung anzugehen, hieß es. Eine deutlichere Warnung konnte die Branche kaum erhalten.

Die EU hatte ihre Sektorenuntersuchung im Gefolge eines Skandals begonnen, den der heutige New Yorker Gouverneur und frühere Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer aufgedeckt hatte. Er verklagte 2004 die Firma Marsh, nach eigenen Angaben weltweit der größte Versicherungsmakler. Der Vorwurf: Um umsatzbezogene Sonderprovisionen von Versicherern zu erhalten, habe Marsh Kunden nicht immer zu den für sie günstigsten Gesellschaften vermittelt, sondern Angebote gefälscht. Marsh zahlte 850 Mio. $ als Entschädigung für Kunden und wechselte den Chef Jeffrey Greenberg aus. Außerdem mussten Marsh und die übrigen Großmakler zusichern, keine Sonderprovisionen mehr anzunehmen. „Vollständige Transparenz“ ist seither das Motto der ganz großen Makler. Aber bei kleineren Unternehmen sieht das offenbar anders aus. In Deutschland legen nur acht Prozent der Unternehmen ihre Provisionseinnahmen den Kunden offen, 78 Prozent nur auf Nachfrage, so die EU-Untersuchung.

Neben dem US-Skandal waren es die Forderungen von Versicherungseinkäufern großer Industriekonzerne, die Brüssel hellhörig gemacht hatten. Die Kommission müsse die Versicherungswelt säubern, sagte der Versicherungschef von Danone, Thierry van Santen, 2005 auf einer Fachtagung der Federation of European Risk Management Associations. „In unseren Unternehmen ist der Einkauf insgesamt ungeheuer transparent geworden“, sagte van Santen damals. „Nur der Versicherungseinkauf gilt noch als Grauzone.“

Im Nachhinein ist der Industrie nicht mehr ganz so wohl bei dem Gedanken, dass die EU-Kommission künftig ein weitaus gestrengeres Auge auf Versicherungsdeckungen werfen wird. Denn Brüssel könnte die Mitversicherung – bei der ein Konsortium ein großes Risiko unter Führung einer Gesellschaft abdeckt – auf den Prüfstand stellen. „Wir befürchten eine Fehlanwendung des Konsumentenschutzgedankens auf die Industrieversicherung, in der dieser Gedanke nichts zu suchen hat“, sagte Ralf Oelßner, gerade in den Ruhestand verabschiedeter Versicherungschef der Lufthansa und Vorsitzender des Deutschen Versicherungs-Schutzverbandes, mit dem Unternehmen und Gemeinden ihre Versicherungsinteressen vertreten.

Zitat:

“ „Nur der Versicherungseinkauf gilt als Grauzone“ “ – Thierry van Santen, Danone –

Bild(er):

„So saust man unaufhörlich fort, bis zu dem steilen Abhang dort. Hier steckt ein jeder tief im Schnee und reckt die Beine in die Höh. Doch gleich hat man sich aufgerafft und prügelt sich mit aller Kraft. Zum Schluss geht man voll Schmerz beiseit; das macht die Unvorsichtigkeit“ – Picture-Alliance/akg-images

Quelle: Financial Times Deutschland

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