Weniger Pleiten sind gut für die Wirtschaft – aber nicht für die Kreditversicherer. Die Finanzkrise und der Anstieg der Rohstoffpreise können für ihr Geschäft die Wende bringen
VON Herbert Fromme Die letzte große Baupleite ist jetzt drei Jahre her, Anfang 2005 ging Deutschlands drittgrößter Baukonzern Walter Bau in die Insolvenz. Auch von einem Kollaps von Einzelhandelsriesen, vergleichbar mit dem des Elektrohandels Brinkmann im Jahr 2002, blieb die Wirtschaft in jüngster Zeit weitgehend verschont.
Kein Wunder, dass sich die Versicherungseinkäufer deutscher Unternehmen in den vergangenen Jahren mit dem Abschluss von Kreditversicherungen zurückhielten. Mit diesen Policen können sie sich für den Fall absichern, dass Kunden wegen einer Insolvenz die Rechnung nicht zahlen. Das gilt nicht nur für den einheimischen Markt. Die großen Kreditversicherer Euler Hermes, Coface und Atradius haben globale Netze aufgebaut. Sie begleiten ihre Kunden auch nach Asien, Osteuropa, Nord- und Südamerika. Die Kehrseite: Die Deckung ist nicht billig, und die Unternehmen müssen ihren Kreditversicherern umfangreiche Daten zu Kunden und Kundenbeziehungen liefern.
Nichts zu tun haben die europäischen Kreditversicherer mit den Anleiheversicherern in den USA, den sogenannten Monolinern, die unter der aktuellen Kreditkrise schwer leiden. Bei den Europäern war die Absicherung von Anleihen nie Teil des Geschäftsmodells. Doch führt genau diese Kreditkrise indirekt dazu, dass die Kunden wieder verstärkt Interesse für ihre Angebote entwickeln. Der Kreditversicherungsmarkt reagiert empfindlich wie ein Seismograf auf Veränderungen im Wirtschaftsgeschehen. Die Subprime-Krise könnte Folgen für die Weltkonjunktur haben, glauben die Versicherungsmanager. „Die wirtschaftlich guten Zeiten neigen sich dem Ende zu“, sagt Benoît Claire, Deutschlandchef des Kreditversicherers Coface in Mainz. „Wir sehen nach vorne und müssen feststellen, dass teils wegen der Auswirkungen der US-Kreditkrise, teils wegen der hohen Rohstoffpreise die wirtschaftliche Zukunft nicht mehr so gut sein wird wie die Vergangenheit.“ Zwar heiße das nicht automatisch, dass die Konjunktur plötzlich umkippe. „Aber die Lage wird schlechter sein als in den Vorjahren.“
Auch Clemens von Weichs, Chef des weltgrößten Kreditversicherers Euler Hermes, sieht mit Ernst die Perspektiven der Weltwirtschaft. Euler Hermes gehört zur Allianz-Gruppe. „Wir verfolgen die Entwicklung in den USA und in Europa sehr eng. In den USA stellt sich eine Beruhigung bisher nicht ein“, sagt er. „In Europa ist das nicht so eindeutig, wir haben nach wie vor gute Entwicklungen der Volkswirtschaften in Deutschland, Frankreich und Benelux.“
Doch die Versicherer spüren schon Vorbeben. „Der Kreditversicherungsmarkt beginnt, sich zu beleben“, stellt Peter Ingenlath fest, Vorsitzender des Fachausschusses Kreditversicherung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und Vorstandsmitglied von Atradius. Es sei normal, dass in wirtschaftlich guten Phasen das Neugeschäft der Branche leide. Jetzt drehe sich der Trend. „In den ersten drei Monaten 2008 zog das Neugeschäft wieder auf das Niveau von 2002 und 2003 an“, sagt Ingenlath. In den Jahren 2006 und 2007 habe es rund ein Drittel daruntergelegen. Für 2008 erwartet er für die deutschen Kreditversicherer einen moderaten Zuwachs der Bruttoprämien „zwischen ein und fünf Prozent, wohl eher am oberen Ende der Spanne“ auf rund 1,4 Mrd. Euro. Weil die erwarteten Risiken zunehmen und die Nachfrage steigt, haben die Versicherer Preiserhöhungen auf die Tagesordnung gesetzt. „Unsere Branche hat in den vergangenen Jahren ihre Kunden durch Preissenkungen und großzügige Risikoübernahme begleitet“, sagt Coface-Manager Claire. Drei Jahre lang habe sein Unternehmen die Prämien reduziert. Jetzt will er Erhöhungen von zehn Prozent durchsetzen. „Das gilt auf jeden Fall für neue Verträge.“
Atradius-Vorstand Ingenlath kommentiert vorsichtiger: „Wir sehen, dass sich der Preisabrieb deutlich verringert hat, aber wir sehen noch keine Trendwende, also dass Preise jetzt signifikant ansteigen.“ Doch sei der seit drei Jahren vorherrschende Trend nach unten gestoppt. Auch Euler-Hermes-Chef von Weichs denkt an höhere Prämien. „Dort, wo es nötig ist, wollen wir die Preise anheben.“ Das komme aber immer auf die individuelle Situation an, die Kunden hätten dafür Verständnis, wenn das richtig erklärt würde. „Auch die Banken arbeiten mit deutlich höheren Spreads als früher“, sagt er mit Blick auf die gestiegenen Zinsmargen.
Die Versicherungschefs haben Grund, sich vorsichtig zu äußern. Denn die Konkurrenz in der Branche ist heftig. Sie alle haben trotz der schwachen Umsatzentwicklung in den vergangenen Jahren prächtig verdient – schließlich war die Schadenbelastung auf einem so noch nicht erlebten Tiefpunkt. In der Hauptsparte Warenkreditversicherung sank die Schadenquote von 45 Prozent der Beitragseinnahmen im Jahr 2006 auf 41 Prozent im Jahr 2007 – pro eingenommenem Prämien-Euro mussten die Anbieter nur 41 Cent für Schäden aufwenden. Allerdings liegt das auch an der stark zyklischen Natur des Geschäfts. In Jahren mit einem oder zwei Großschäden erreicht die Schadenquote leicht 150 Prozent.
Auch die starke Rolle von Newcomern könnte die Preiserhöhungsambitionen der großen drei Anbieter stören. Die R+V-Versicherung, die zum genossenschaftlichen Finanzverbund gehört, verkauft erfolgreich über ihre Bankpartner an kleinere und mittlere Unternehmen. Jene Zielgruppe, auf die sich alle Kreditversicherer in den letzten Jahren gestürzt haben. Noch ist also nicht ausgemacht, ob die Wende wirklich stattfindet. Für Claire ist das auch ein psychologisches Problem. „Es gibt Unternehmen, die kein Risikobewusstsein haben. Meine Aufgabe sehe ich darin, sie zu überzeugen.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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