Das Geschäft der Rückversicherer ist die langfristige Sicherung ihrer Kundengegen große Risiken. Quartalszahlen sagen dabei sehr wenig aus
Herbert Fromme
Hinter vorgehaltener Hand geben es die meisten Rückversicherungsmanager zu – Quartalszahlen machen für ihre Branche noch weniger Sinn als für andere. Da aber Analysten und Anleger auf solchen Zahlen bestehen, legen die Gesellschaften sie vor.
Rückversicherer sind die Großhändler des Risikoschutzes, sie übernehmen hohe Risiken oft über lange Zeiträume. Da ist der Quartalsbericht eher die Wiedergabe der Stimmung des Vorstands und seiner Einschätzung der Lage als eine exakte Darstellung des tatsächlichen Geschäftsverlaufs. Selbst ein einzelnes Jahr ist nur eine Annäherung an die Wirklichkeit. Um die wirtschaftliche Lage eines Rückversicherers zu beurteilen, sind mindestens fünf Jahre nötig.
Dies wird am Beispiel Extremus deutlich: Der Kölner Spezialist für Terrorschäden hat noch nie einen Schaden gehabt, er bildet aus seinen Beiträgen zum größten Teil Rückstellungen. Ob sie bei einem Terrorschaden tatsächlich ausreichen, weiß niemand. Ob die Quartalszahlen wirtschaftlich „richtig“ sind, auch nicht.
In den Jahren 1997 bis 2001 haben zahlreiche US-Versicherer und ihre Rückversicherer einschließlich Münchener Rück und Swiss Re Haftpflichtrisiken in den USA deutlich zu optimistisch kalkuliert, vor allem in der betrieblichen Arbeiter-Unfallversicherung.
Die heimliche Hoffnung dahinter: Mit den Kapitalerträgen könne man die Verluste im Kerngeschäft wettmachen. Durch die Aktienkrise ab 2000 ging das Geschäftsmodell nicht mehr auf. Ab 2002 mussten fast alle Erst- und Rückversicherer für inzwischen angefallene Schäden aus den Vorjahren heftig nachreservieren. Die Berichterstattung für die betroffenen Jahre war eindeutig falsch, sie entsprach nicht den Realitäten – das stellte sich erst nach Jahren heraus. Wenn ein Vorstand will, kann er Quartalszahlen stark gestalten.
Konzerne wie die Münchener Rück haben Kapitalanlagen von Hunderten Milliarden im Bestand. Die Entscheidung, durch Verkäufe von bestimmten Papieren oder Anteilen stille Reserven zu heben oder nicht, ist sehr subjektiv. Auch die Entscheidung, ob ein Rückversicherer konservativ oder weniger konservativ Schadenrückstellungen bildet, ist einem Vorstand überlassen. Da unterscheidet sich die Politik der Unternehmen deutlich.
Anfang 2004 sprach Peter Colombo, Chairman des Rückversicherers Converium, noch von „hervorragender Finanzstärke“ und einem guten Ergebnis. Vorstandschef Dirk Lohmann sah 2004 als „erneutes gutes Jahr für Converium“. Sechs Monate später holten Altlasten die Gesellschaft ein, der Gewinn brach ein. Lohmann musste gehen, Converium stellte das US-Geschäft weitgehend ein und wurde vor zwei Jahren von Scor übernommen. So schnell kann’s gehen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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