Ölindustrie am Golf von Mexiko weitgehend lahmgelegt · Größte Rettungsaktionin Geschichte von Texas angelaufen
Von Nicolas Schöneich, Berlin,
und Herbert Fromme, Köln
Wirbelsturm „Ike“ hat in den US-Bundesstaaten Texas und Louisiana große Schäden angerichtet und die Ölindustrie am Golf von Mexiko fast zum Erliegen gebracht. Nach Angaben des US-Energieministeriums stehen Hunderte Bohrplattformen sowie 16 von 28 Raffinerien in der Region still. 99,7 Prozent der lokalen Ölförderung von 1,3 Millionen Barrel täglich fallen derzeit aus. Das sind rund ein Viertel der täglichen Gesamtförderung in den USA. Ebenso groß sind die Ausfälle demnach bei den Kapazitäten zur Raffinierung.
Im ganzen Land wächst deshalb die Angst vor steigenden Benzinpreisen. Nach Angaben des Automobilklubs AAA war eine Gallone (3,8 Liter) Normalbenzin am Sonntag mit 3,73 $ durchschnittlich 11 Cent teurer als am Freitag. In Houston, wo Hamsterkäufe den Nachschub schon vor dem Hurrikan verknappt hatten, mussten Tankstellenbesitzer Normalbenzin für bis zu 5 $ pro Gallone einkaufen, wurde berichtet. Die texanische Senatorin Kay Bailey Hutchison sagte, die Raffinerien könnten noch bis zu neun Tage geschlossen bleiben. Die Bevölkerung solle sich auf Benzinknappheit einstellen.
„Ike“ war am Samstagmorgen um 2 Uhr Ortszeit auf die US-Südküste getroffen. Bis zu fünf Meter hohe Wellen überfluteten die texanische Inselstadt Galveston. Dort stand das Wasser teils mehrere Meter hoch in den Straßen. Genaue Angaben zu Sach- oder Personenschäden gibt es aus der für Retter schwer zugänglichen Stadt noch nicht. Bislang wurden sieben Tote geborgen. Weitere Opfer werden unter den Trümmern eingestürzter Häuser vermutet. Heftige Regenfälle ließen Befürchtungen wachsen, dass Dämme unter der Last des Wassers bersten könnten.
Im 30 Kilometer nordwestlich gelegenen Houston, der Hauptstadt der US-Ölverarbeitung, wurden zahllose Fenster aus Hochhäusern gerissen, Bäume stürzten um. Im Großraum Houston sind 4,5 Millionen Menschen ohne Strom. Energieversorgern zufolge kann es Wochen dauern, bis alle Leitungen repariert sind. US-Präsident George W. Bush erklärte 29 Landkreise zum Katastrophengebiet und versprach rasche Hilfe. Am Dienstag will er die Hurrikanregion besuchen.
Noch am Samstag begannen die Rettungsaktionen. In Texas sind 57 Helikopter und 1500 Einsatzkräfte unterwegs, in Louisiana 3000 Nationalgardisten. Houston meldete den Einsatz von 10 000 Stadtangestellten. Sie versuchen, zu jenen vorzudringen, die trotz einer Evakuierungsanordnung während des Sturms in ihren Häusern ausgeharrt hatten. Behörden sprachen von bis zu 140 000 Betroffenen. Bislang konnten 1500 Menschen gerettet werden.
Die USA erleichterten den Treibstoffimport, um Produktionsausfälle ihrer Raffinerien auszugleichen. Auch die strategische Reserve wurde angezapft: Zwei vom Hurrikan nicht betroffene Raffinerien erhalten insgesamt 309 000 Barrel Rohöl. Die Internationale Energieagentur erklärte, sie werde notfalls Vorräte freigeben. „Die Bundesregierung und die Regierungen der Bundesstaaten werden sehr genau darauf schauen, ob Verbraucher an der Zapfsäule schlecht behandelt, mit anderen Worten abgezockt, werden“, sagte Bush.
Mit Böen von bis zu 175 Kilometern pro Stunde zog „Ike“ eine Schneise der Verwüstung. Eine Spezialfirma, die für Versicherer Katastrophenschäden modelliert, sagte versicherte Schäden zwischen 8 und 12 Mrd. $ an Gebäuden und anderen Einrichtungen an Land voraus. Außerdem kosteten Zerstörungen an den Ölanlagen vor der Küste die Versicherer zwischen 600 Mio. $ und 1,5 Mrd. $, erklärte Applied Insurance Research in Boston. Der Hurrikan „Katrina“ 2005 kostete die Versicherer rund 70 Mrd. $.
Quelle: Financial Times Deutschland
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