Die Länder Mittel- und Südamerikas entwickeln sich für Rückversicherer zu interessanten Märkten. Wer sich hier auskennt, kann gute Geschäfte machen
VON Herbert Fromme
Auf den ersten Blick wirkt Lateinamerika wenig attraktiv für die global agierenden Rückversicherer. In allen Ländern der Region zusammen kamen die Versicherer 2007 gerade mal auf 54 Mrd. Euro Prämie oder drei Prozent des Weltmarkts. Zum Vergleich: Allein die deutschen Versicherer erzielten 162 Mrd. Euro. Dazu kommt, dass viele Länder Lateinamerikas Versicherung und Rückversicherung stark regulieren.
Dennoch drängt sich die Branche danach, in Brasilien, Mexiko und den anderen Ländern der Region präsent zu sein. „Auch Lateinamerika wird durch die Auswirkungen der Finanzmarktkrise in Mitleidenschaft gezogen, da die Exporte zurückgehen“, erläutert Georg Daschner, Vorstandsmitglied der Münchener Rück, im FTD-Interview. „Aber Lateinamerika investiert enorm in die Infrastruktur.“ Wichtige Länder wie Brasilien hätten zudem die vergangenen Jahre genutzt, um die makroökonomische Situation zu verbessern. „Wir gehen deshalb davon aus, dass der Ausbau der Infrastruktur fortgesetzt wird.“ Große Projekte bedeuteten immer Bedarf an Erst- und Rückversicherung. „Wir sind da mit unserer Expertise gefragt.“
Während die Märkte in Europa und Nordamerika gesättigt sind, verspricht Lateinamerika Wachstumspotenzial. Der wichtigste Markt ist Brasilien mit 25,7 Mrd. Euro Marktprämie in 2007. Bis zum 17. April 2008 war in dem Land nur der staatliche Rückversicherer IRB erlaubt. Dann wurde nach 69 Jahren das Monopol aufgehoben.
Die Öffnung geschieht in Stufen. Zunächst müssen sich ausländische Unternehmen für einen Status entscheiden – sie können eine örtliche Gesellschaft eröffnen, als zugelassener Rückversicherer („admitted“) agieren oder sich bei der örtlichen Aufsichtsbehörde Susep als gelegentlich dort aktive Gesellschaft registrieren lassen. „Wir haben uns entschlossen, einen lokalen Rückversicherer zu gründen“, sagt Daschner. Das machen zurzeit nur wenige Gesellschaften. Neben dem Weltmarktführer aus München sind das der frühere Monopolist IRB und die auf Kreditrisiken spezialisierte einheimische J Malucelli Seguros, so Daschner. Außerdem bemühen sich die spanische Mapfre Re und die Bermuda-Gesellschaften XL Re und Ace darum, sagt er.
Für sein Unternehmen bedeutet die Gründung der örtlichen Gesellschaft einen unschätzbaren Marktvorteil. „Bis 2010 gilt, dass die örtlichen Rückversicherer für 60 Prozent des Rückversicherungsgeschäfts eine Art Andienungsrecht haben“, sagt Daschner. Ein Versicherer, der Rückdeckung kaufen will, muss diesen Prozentsatz zunächst den Gesellschaften mit Sitz in Brasilien anbieten. Nur wenn sie das Geschäft nicht wollen, darf er es an andere Rückversicherer geben. Der Prozentsatz sinkt 2010 auf 40 Prozent.
„In die Gründung eines örtlichen Rückversicherers muss man mehr investieren als in einer der beiden anderen Formen“, erläutert Daschner. „Die eigentliche Herausforderung aber ist, das Know-how zu haben.“ Die Münchener Rück sei seit zehn Jahren mit einem Büro vor Ort, um mit dem Monopolisten IRB Geschäfte zu machen und die Marktöffnung zu beobachten. „Wir haben viel Zeit und Geld in die Ausbildung von heute 40 Mitarbeitern investiert“, sagt er. In Brasilien hat sich übrigens auch der heutige Konzernchef Nikolaus von Bomhard seine Sporen verdient, der von 1997 bis 2000 das Büro leitete. Daschner schätzt den brasilianischen Markt auf 1,5 Mrd. Euro Rückversicherungsprämie. „Davon wollen wir ein ordentliches Stück haben, aber es gibt keine Volumenziele“, sagt er. „Wir wollen gewinnbringendes Geschäft.“
In allen Ländern Lateinamerikas erzielte die Münchener Rück 2007 750 Mio. Euro Prämie, rund 3,5 Prozent des Rück-Volumens der Gruppe. Der größte Markt für das Münchener Unternehmen ist Mexiko mit 200 Mio. Euro Prämie, gefolgt von Chile mit 80 Mio. Euro und Kolumbien mit 75 Mio. Euro. Aus Brasilien kamen – vor der Öffnung – nur 55 Mio. Euro.
Der 58-jährige Daschner arbeitet seit 42 Jahren bei der Münchener Rück, davon mehr als zwölf Jahre in Lateinamerika und drei Jahre in Spanien. Der Konzern steuert die Arbeit in der Region aus München, Daschner ist auch für die Rückversicherung Nicht-Leben in Europa außerhalb Deutschlands zuständig.
„Wir haben die Möglichkeit geprüft, Lateinamerika an Nordamerika anzuhängen, wie das viele unserer Wettbewerber machen“, sagt Daschner. „Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, weil wir wissen, dass die kulturelle Nähe zu Spanien und Portugal und damit zu Europa wichtig ist.“ Die Bewohner fühlten sich emotional viel mehr Europa zugewandt als Nordamerika.
Quelle: Financial Times Deutschland
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