Vor fünf Jahren war der Kauf einer Police im Netz noch exotisch – hohe Kostenkombiniert mit wenigen Abschlüssen. Jetzt wird der Kauf im Netz auch beitraditionellen Anbietern salonfähig. Autoversicherer ohne Onlineangeboterreichen viele Kunden nicht mehr
VON Herbert Fromme
Wer heute auf die Internetseite eines Autoversicherers oder zu einer Vergleichsplattform im Internet geht und einen attraktiven Tarif für seinen Pkw findet, sollte rasch abschließen. Es kann passieren, dass dieser Preis wenige Stunden später nicht mehr verfügbar ist.
Denn die Tarifrechner der Onlineversicherer werden immer ausgefeilter – und von den Unternehmen immer schneller auf neue Marktverhältnisse, Testberichte und Rankings eingestellt. Für den Kunden ist die Tarifberechnung ohnehin kaum durchschaubar, aber inzwischen ist sie auch für die Vertreter vieler Unternehmen nicht mehr nachvollziehbar. Die meisten Unternehmen rechnen in einer „Black Box“, die täglich ihre Angebote ändern kann.
Die Autoversicherung ist im Internet angekommen. Die erste Welle der Versuche, die mit 20,4 Mrd. Euro Prämie wichtigste Sparte innerhalb der Schaden- und Unfallversicherung online zu verkaufen, galt vor sechs Jahren als weitgehend gescheitert. Aber einige wichtige Anbieter wie HUK-Coburg ließen sich nicht beirren und hielten an ihren Onlineplattformen fest.
„Wenn man die Marktanteile nach der offiziellen Statistik zusammenzählt, kamen Direkt- und Internetanbieter 2006 auf 5,5 Prozent“, sagt Helmut Kühl, Aufsichtsrat bei der Vergleichsplattform Aspect Online und bis 2006 Vorstandsmitglied der Volksfürsorge. Das allein wäre schon eine Verdreifachung gegenüber 1996. Doch der tatsächliche Marktanteil für Pkw im freien Markt liegt deutlich über 13 Prozent und steigt kräftig an, hat Kühl berechnet. Er gilt als einer der besten Kenner des Autoversicherungsmarkts. Man müsse Nutzfahrzeuge sowie die großen Firmenflotten herausrechnen, um dann das tatsächlich freie Angebot zu erhalten, an dem man die Erfolge der Onlineanbieter messen müsse. „Für Anbieter ohne Onlineangebot wird es bald sehr eng“, glaubt Kühl.
Klaus-Jürgen Heitmann, Vorstand beim Marktzweiten HUK-Coburg, sieht das ähnlich. „Wir haben den Eindruck, dass jeder in der Branche inzwischen erkennt, er muss im Direktvertrieb und im Internet dabei sein“, sagt Heitmann. „Wir spielen in dem Segment schon eine große Rolle und wollen das auch weiterhin.“ Die HUK-Coburg hatte einen Startvorteil: Sie hat keine hauptberuflichen Handelsvertreter wie die meisten Versicherer. Die mächtigen Vertretervereinigungen wehrten sich naturgemäß gegen den Internetverkauf. Deshalb kam die Allianz erst 2005 mit Allianz 24, sechs Jahre nach der HUK.
Doch inzwischen gibt es kein Halten mehr. Vor wenigen Wochen startete die zum Genossenschaftslager gehörende R+V ihre R+V24, Talanx ist mit HDI24 unterwegs, die Sparkassenversicherer sind entschlossen, mit einem eigenen Angebot zu kommen. Bislang gibt es nur die S-Direkt der Provinzial Rheinland. Nur der zur Münchener Rück gehörende Ergo-Konzern hat die Gründung eines Onlineanbieters vor zwei Jahren kurz vorbereitet und dann eingestellt.
Die heutigen Neugründungen gesellen sich zu einer Reihe von Newcomern im Online-Autoversicherungsmarkt aus den vergangenen zwei Jahren. Die Zurich-Gruppe hat mit der Zurich Connect einen europaweit tätigen Direktanbieter gegründet. Er ist auch in Deutschland tätig. Die erfolgreich agierende Zurich-Tochter DA Deutsche Allgemeine, die ebenfalls nur direkt ohne Vertreter und Makler verkauft, soll in Zurich Connect integriert werden. Die britische Admiral ist seit Ende 2007 auf dem deutschen Markt. Das Unternehmen wird von der Münchener Rück unterstützt. Bereits länger aktiv sind die britische Direct Line und die niederländische Ineas.
Auch bei den Anbietern, die schon länger online sind, bringt das Internet die größten Wachstumszahlen. Der HUK-Konzern hatte mit seiner HUK24 Ende 2007 690 000 Fahrzeuge im Bestand, Mitte 2008 waren es bereits mehr als 800 000, von 7,7 Millionen Fahrzeugen. Die Allianz 24 verzeichnete am Ende des Jahres 2007 177 000 Fahrzeuge, die Allianz insgesamt 8,9 Millionen.
Zurzeit haben Autoversicherer Hochsaison. Bis Ende November können Kunden Verträge kündigen, um ab Januar bei einem anderen Versicherer abgedeckt zu sein.
Dabei werden Vergleichsportale wie Einsurance und Aspect Online immer wichtiger. Das Geschäftsmodell: Kunden kommen auf die Website, geben Daten ein und lassen sich in wenigen Sekunden mehrere vergleichbare Angebote erstellen. Dann können sie direkt zum Versicherer weiterklicken. Von einer Million Vergleiche pro Jahr, die Aspect Online rechnet, führen 25 000 zu einem über die Website geleiteten Abschluss, für den Aspect eine Provision vom Versicherer erhält, meistens 80Euro bis 100 Euro. Weitere rund 50 000 Kunden klicken nicht über das Portal, sondern gehen direkt zur Website des Versicherers. Über Tracking-Technologien kann dieser oft sehen, ob der Kunde vorher auf einer Vergleichsplattform war.
Onlinekunden sind sehr preissensibel, aber die Marke spielt eine zunehmend wichtigere Rolle. Für etablierte Versicherer heißt das: Sie müssen unter eigenem Namen antreten und nicht unter einem Kunstwort oder einer Zweitmarke. Sonst haben sie es noch schwerer, von den Kunden online akzeptiert zu werden.
Quelle: Financial Times Deutschland
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