Allianz-Vorstandsmitglied Joachim Faber wagt sich mit ungewöhnlichen Aussagenzu Krise und Renditewahn vor – und schreibt dabei die Konzerngeschichte um
Herbert Fromme
Gibt es einen Riesenkrach im Vorstand der Allianz-Konzernholding? Liegt Vorstandsmitglied Joachim Faber, zuständig für die Vermögensverwaltung und deshalb auch Chef von Allianz Global Investors, über Kreuz mit Konzernchef Michael Diekmann?
Auf diese Gedanken könnte kommen, wer das Interview mit Faber in der aktuellen „Welt am Sonntag“ liest. Dort sagt Faber wörtlich: „Wir haben in den letzten Jahren in einem Renditewahn gelebt.“ Und weiter: „Uns, der Allianz, wurde jahrelang immer wieder der amerikanische Versicherungskonzern AIG als Vorbild vorgehalten, weil dessen Quartalsgewinne jedes Mal ein paar Prozent höher waren als unsere. Inzwischen ist AIG knapp am Bankrott vorbeigeschrammt.“
Bemerkenswert sind Fabers Aussagen vor allem deshalb, weil es Diekmann war, der jahrelang der Allianz die American International Group (AIG) als Vorbild vorhielt – und damit auch den Umbau seines Konzerns einschließlich des Abbaus von mehr als 8000 Arbeitsplätzen allein in Deutschland begründete.
So auf der Hauptversammlung am 3. Mai 2006: Zwar sei die Ergebnissteigerung mit 31 Prozent erfreulich, sagte Diekmann seinerzeit. „Das Bild zeigt aber auch, dass uns ein Wettbewerber wie AIG trotz eines turbulenten Jahres in absoluten Zahlen noch deutlich voraus ist und dass ein Wettbewerber wie ING aus derselben Kapitalbasis deutlich mehr Ergebnis erzielen kann.“ Weiter sagte Diekmann: „Diese Gesellschaften stellen, wenn Sie so wollen, die absolute Spitze der Champions League dar, an der wir uns orientieren müssen.“
So auf der Pressekonferenz am 22. Februar 2007: „Was die Professionalität angeht und auch vor allem die Konstanz, in der die AIG ihre Ergebnisse bringt, muss AIG in unserer Industrie eine ‚Benchmark‘ sein.“
Heute ist klar, dass AIG eben diese Konstanz nur deshalb schaffte, weil sie hochriskante Absicherungsgeschäfte für Hypothekendarlehen und Derivate einging. Die Ergebnisse sind katastrophal, die US-Regierung muss den größten Versicherer des Landes mit 152 Mrd. $ stützen. Da passt es der Allianz-Führung unter Diekmann mutmaßlich überhaupt nicht mehr, dass sie AIG einst als Vorbild und Begründung für den Umbau ins Feld geführt hatte.
So werden jetzt Spuren verwischt und Analysten verantwortlich gemacht für den AIG-Vergleich, der doch direkt von Diekmann kam. Das erledigt Faber – wohl im Sinne Diekmanns, nicht im Krach mit ihm. Für das Verlustinvestment Dresdner übernimmt der Allianz-Chef ebenfalls keine Verantwortung. Stattdessen ist aus dem Konzern zu hören, dass Diekmann – schon damals im Vorstand – nie ein Freund der 24 Mrd. Euro teuren Übernahme im Jahr 2001 gewesen sei.
Nebenbei dämpft Faber auch alle Renditeerwartungen, die Allianz-Aktionäre oder Anleger, die Geld bei Global Investors haben, hegen könnten. „Wenn ein Investor mit seinem Portfolio die Inflation plus zwei bis vier Prozent verdient, dann macht er einen absolut guten Job“, sagt er. „Alles andere ist völlig unrealistisch und völlig übertrieben.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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