Manager bereiten Abtrennung großer Geschäftsfelder vor
Von Herbert Fromme
Jahrzehntelang galten die Experten vom Versicherer American International Group (AIG) als besonnene, solide Branchenvertreter: Hervorragendes Know-how, solide Risikobewertung, guter Ruf auch bei scharfen Konkurrenten. Das ändert sich gerade. Mehr und mehr Wettbewerber werfen dem angeschlagenen Versicherer vor, bei den Preisen deutlich nachzugeben, um Kunden zu halten. AIG bestreitet das.
„Wir haben solche Fälle gesehen“, sagt Christian Hinsch, Vorstandsmitglied bei Talanx und Chef der HDI-Gerling-Sachversicherer. Auch Nikolaus von Bomhard, Chef der Münchener Rück, fand scharfe Worte für die AIG, die von der US-Regierung mit 180 Mrd. $ gestützt werden muss. „Wenn man diese Staatsunterstützung quasi als ,AAA`-Toprating verkauft und entsprechend auftritt, ist das natürlich massiv im Markt störend.“ Denn die Finanzstärke – gemessen an den Bewertungen der Ratingagenturen – ist ein zentrales Wettbewerbsargument.
AIG hatte sich massiv verhoben mit der Absicherung von Kreditderivaten für Banken, die mit dem Kerngeschäft Versicherung nichts zu tun hat. Seit der Konzern im September 2008 beinahe kollabierte und mehrheitlich der US-Regierung gehört, muss er um besorgte Kunden kämpfen. Zum Arsenal gehört auch die Preispolitik.
Doch die Führung des Unternehmens weiß, dass auch dies langfristig die Akzeptanz der Gesellschaft bei ihren Kunden nicht erhalten kann. Acht Monate nach dem Beinahecrash ist die Erkenntnis gereift, dass das Kerngeschäft von der Obergesellschaft AIG Inc. gelöst werden muss. Bis spätestens 2010 soll ein erster Trennungsstrich gezogen sein. „Wir bauen eine Marke auf, die sich deutlich von AIG unterscheidet“, sagt Europachef Julio Portalatin. Das Unternehmen soll dann auch neue Eigner haben – zumindest für einen Minderheitsanteil. Portalatin lässt offen, ob AIG auch auf die Mehrheit verzichten würde.
Rasche Trennung geplant
Um der Lösung näherzukommen, hat AIG die Zwischenholding AIU in eine Zweckgesellschaft eingebracht. Darin fasst der Konzern die global agierende Industrieversicherung mit dem Gewerbekundengeschäft in den USA zusammen, auch ein kleiner Geschäftsbereich für Privatkunden gehört dazu. Die Gruppe kommt auf 36 Mrd. $ Beitragseinnahmen, davon kommt ein Drittel von außerhalb der USA. AIG Europe erzielte 2008 3,3 Mrd. $ Prämie.
„Unsere Kunden wollen sichergestellt sehen, dass sie eindeutig vor jedweder Aktivität auf Ebene der AIG Inc. geschützt sind“, sagt Portalatin. Deshalb sichere das Unternehmen Kunden, Maklern und Mitarbeitern zu, dass es zur Loslösung komme. Noch Ende 2008 hatte Portalatin jeden Gedanken an Trennung von der maroden Mutter scharf zurückgewiesen. „Seither hat sich die Marktsituation deutlich verändert“, begründet er den Sinneswandel.
Nicht nur Druck von Kunden und Maklern dürfte für die neue Linie verantwortlich sein, sondern auch der stetige Abrieb von gutem Personal. Erstaunlich lange konnte AIG auf die hohe Loyalität der Mitarbeiter setzen. Doch die sehr politisch und emotional ausgefochtene Schlacht um die Boni für Mitarbeiter in den USA hat dieser Treue einen harten Schlag versetzt. Immer mehr Angestellten wird klar, dass sie nicht länger für ihre alte AIG arbeiten, sondern für den amerikanischen Staat – und da kommen Angebote von privatwirtschaftlichen Konkurrenten vielen gerade recht.
Quelle: Financial Times Deutschland
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