Risikomanager haben einen harten Beruf. Wer ihn macht, muss voll hinterseiner Aufgabe stehen
Mulmig war ihm schon zumute, in dem Hinterzimmer des Hotels in Moskau. Dort verhandelte er mit einem russischen Unternehmer über die Absicherung von Lieferungen aus Europa. Der Russe wollte mit Immobilien aus seinem Privatbesitz haften. Für den Fall, dass sein Unternehmen nicht zahlen könne, sollten Wohnblocks in der Provinz bürgen. „Das war eine skurrile Situation“, sagt Michael Karrenberg, Risikomanager beim Kölner Kreditversicherer Atradius. „Wer weiß schon, was Mietwohnungen in der russischen Peripherie wert sind – ich wusste es nicht.“ Spezialkenntnisse und Netzwerke waren gefragt. „Ein einheimischer Rechtsanwalt hat uns geholfen, den Preis zu ermitteln.“ Das Geschäft kam trotzdem nicht zustande. Die Häuser waren nicht so wertvoll, wie der Besitzer angegeben hatte.
Seit mehr als zwanzig Jahren arbeitet Karrenberg bei Atradius. Lieferanten von Herstellern oder Großabnehmern schließen dort eine Police ab, damit der Versicherer zahlt, wenn die Kunden ihre Rechnungen nicht begleichen können. Der 47-jährige Betriebswirt beurteilt Risiken, die für Unternehmen von klammen Kunden ausgehen.
Erfahrung und ein profunder Marktüberblick gehören zu den Voraussetzungen eines Risikomanagers. Die hat Karrenberg zweifellos. Er hat es bis zum Leiter der Abteilung Risikomanagement gebracht und ist verantwortlich für das Geschäft in Deutschland, Mittel- und Osteuropa. Karrenberg hat sich im Unternehmen hochgearbeitet. Während des Studiums in Köln jobbte er als Werkstudent bei Atradius, damals noch Gerling-Konzern Speziale Kreditversicherungs-AG. Die Arbeit gefiel ihm, und er blieb. Nach dem Examen fing er als Kreditmanager an. Zu einer seiner wichtigsten Aufgaben als Risikomanager gehört die Arbeit mit den Abnehmern der versicherten Firmen.
Karrenberg führt mit der Geschäftsleitung Gespräche über finanzielle Spielräume, vereinbart Sicherheiten. Das können Bankgarantien oder Bankbürgschaften sein. Oder wie in Moskau Immobilien. „In meinem Beruf ist Skepsis angesagt“, findet Karrenberg. „Geschäftsführer schätzen ihre wirtschaftliche Situation manchmal besser ein, als sie ist.“ Da muss er kritisch sein, realistische Finanzpläne aufstellen. Zugute kommt ihm dabei seine Liebe zu Zahlen. „Wenn ich mir eine Bilanz anschaue, kann ich die zwei Stunden später noch auswendig wiedergeben“, sagt er stolz.
Karrenberg spielt in seiner Freizeit Tennis und geht joggen. Er ist ein ausdauernder Typ. „Eigentlich arbeite ich immer“, sagt er. Sein Blackberry blinkt ständig. In Puzzlearbeit sucht er Informationen über seine Kunden zusammen. Das ist ein Knochenjob. „Gegen 23 Uhr schaue ich das letzte Mal aufs Blackberry“, sagt er. Aufstände in Georgien, Erdbeben in Japan – alles muss in die Gefahrenbewertung einfließen, rund um die Uhr. Täglich brütet er über Jahresabschlüssen und Budgetrechnungen. Die Krise hat Karrenbergs Arbeit verändert. „Alles geht viel schneller, die Prozesse haben eine neue Dynamik bekommen“, berichtet er. Eine blühende Firma kann innerhalb weniger Monate in die Insolvenz gehen. Vor der Krise dauerte das mindestens eineinhalb Jahre. „Ich kann nicht mehr so gut planen, die gängigen Beurteilungskriterien müssen ergänzt werden.“ Das bedeutet mehr Arbeit: „Wir reagieren mit häufigeren Kundengesprächen und prüfen immer öfter die Geschäftsberichte.“ Unglücklich ist er über die hohe Arbeitsbelastung nicht. „Diesen Job kann man nur mit Herzblut machen“, sagt er. „Wer mit halber Energie darangeht, sollte es lieber ganz sein lassen.“
Anne-Christin Gröger
Quelle: Financial Times Deutschland
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