Immer wieder kommt es beim Bau von U-Bahnen zu spektakulären Einstürzen. DieVersicherer haben darauf reagiert und Richtlinien aufgestellt, um die Gefahrenbei solchen Projekten zu mindern
Auch Monate nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs sind nicht alle Trümmer geborgen. Als das Gebäude im März bei Bauarbeiten an der Nord-Süd-U-Bahn einbrach, riss es Nachbarhäuser mit und zwei Menschen in den Tod. Was die genaue Ursache des Unglücks und wer dafür verantwortlich ist, ermitteln Staatsanwälte und Heerscharen von Gutachtern. Zu welchen Schluss sie auch kommen, eines steht fest: Mit dem Risikomanagement ist hier etwas gründlich schiefgegangen.
Dabei hätte man aus dem Schaden anderer längst klug werden können. Das Kölner Unglück ist der vorerst jüngste Vorfall in einer langen Reihe von Unfällen bei Tunnelprojekten. „Es kommt bei U-Bahn-Bauten regelmäßig zu großen Schäden“, sagt Heiko Wannick vom Rückversicherer Münchener Rück. Diese Gesellschaften nehmen Erstversicherern, die Policen an Firmen und Privatkunden verkaufen, einen Teil der Risiken ab. Weil sie international tätig sind, haben sie einen globalen Überblick.
Der bislang größte versicherte Schaden bei einem U-Bahn-Bau entstand im Jahr 1994 mit 141 Mio. $ bei Arbeiten am „Heathrow Express Link“ in Großbritannien. Ob München, Los Angeles oder Singapur – immer wieder kommt es zu schweren Unfällen. Wannick schätzt, dass die Assekuranz seit Anfang der 90er-Jahre mehr als 700 Mio. $ alleine für Großschäden bei Tunnelarbeiten ausgegeben hat.
U-Bahn-Bauten sind extrem komplex. Weil die Risiken so hoch sind, sind Rückversicherer hier oft direkt involviert, die Münchener Rück aktuell beispielsweise beim Bau der Metro in Kopenhagen und der U-Bahn in Singapur. In Deutschland sind die Giganten der Assekuranz in diesem Bereich allerdings nur indirekt vertreten, hier sind vor allem Erstversicherer tätig. Dabei gibt es nur eine Handvoll von Anbietern, die sich auf dieses Terrain wagen. Dazu gehören die Allianz, die Axa, HDI-Gerling, die VHV und die Zurich. „U-Bahn-Bauten sind das Schwierigste, das Versicherer decken können“, sagt Dietrich Werner, Vorstand der Hannoveraner VHV. Von der Planung bis zur Abnahme versuchen sie, die Risiken zu minimieren.
Die Kölner Verkehrsbetriebe haben den U-Bahn-Bau bei HDI-Gerling und auf dem britischen Versicherungsmarkt Lloyd’s gedeckt. HDI-Gerling ist auch über die Baufirmen beteiligt, ebenso wie VHV und die Münchener-Rück-Tochter Victoria. HDI-Gerling äußert sich zum Risikomanagement bei dem Projekt nicht.
Die VHV versichert in Deutschland viele Tunnelprojekte, zurzeit ist sie am Bau der U-Bahnen in Karlsruhe und Düsseldorf beteiligt. „Wir unterstützen und fordern ein gutes Risikomanagement bei solchen Projekten“, sagt VHV-Vorstand Werner. Die Beteiligten fürchten die sogenannten Grundbrüche. Dabei werden Baugruben in kurzer Zeit mit Schlamm geflutet, Erde rutscht weg, und es kommt zu Einbrüchen. Ein Grundbruch gilt als wahrscheinlichste Ursache für das Unglück in Köln. „Um so etwas zu verhindern, wird die Bodenbeschaffenheit akribisch untersucht“, sagt Werner. Das ist teuer.
Wie aufgeschlossen Bauunternehmen gegenüber sichernden Maßnahmen sind, hängt nicht nur von den tatsächlichen Gefahren ab. Eine Rolle spielt, wie die Preise und die vorhandenen Kapazitäten für Versicherungsschutz sind. Ist das Angebot groß und sind die Preise niedrig, werden aufwendige Maßnahmen schwerer durchsetzbar. „Ist der Baumarkt in einer schwierigen Phase, haben die Unternehmen Probleme mit den Kosten“, sagt Werner.
Neue Spielregeln
In Großbritannien zogen Tunnelbauer und Versicherer aus der anhaltenden Serie von Großschäden Konsequenzen: Sie entwickelten den „Joint Code of Practice for Risk Management of Tunnel Works in the UK“. Diese Richtlinien will die Münchener Rück auch in den deutschsprachigen Märkten durchsetzen. Sie geben einen Rahmen vor, um in allen Phasen des Bauprojekts mögliche Gefahrensituationen erfassen, bewerten und geeignete Gegenmaßnahmen treffen zu können. „Eine der Hauptursachen für Einstürze sind fehlerhafte statische Berechnungen und unzureichende Aufschlüsse der anstehenden Baugrundverhältnisse“, sagt Wannick.
Gutes Risikomanagement bedeutet also, dass Fachleute immer wieder prüfen, ob ursprünglich getroffene Annahmen noch stimmen. Denn Lehm, Sand, Kies und Grundwasser im Baugrund können sich verlagern und so Anpassungen der statischen Annahmen oder gar der Baumethode erfordern.
Halten Bauherr und Baufirmen sich nicht an die Richtlinien, machen die Inspekteure der Versicherer Ärger – wenn sie es merken. Gerade war Wannick in Schweden, um ein Tunnelprojekt zu begutachten. Er ließ sich unter anderem Risikoanalysen und Maßnahmenkataloge zeigen. „Wir prüfen stichprobenartig – aber gezielt“, sagt er. Beim Bau der Kölner U-Bahn wurden die neuen Spielregeln zur Unfallverhütung übrigens nicht eingesetzt. „Für die Kölner U-Bahn kamen die Richtlinien zu spät“, sagt Wannick.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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