Pariser Rückversicherer kritisiert Angriff der Institute auf seine Branche ·Chef Denis Kessler im Interview
Von Herbert Fromme, Paris
Die Rückversicherer haben nach Ansicht von Scor-Chef Denis Kessler im Zuge der Krise ihre Position gegenüber den Banken deutlich gestärkt. „Viele Banken waren quasi als Rückversicherer unterwegs“, sagte Kessler der FTD. „Da wurden Risiken über alle möglichen Finanzkonstruktionen abgesichert.“ Dabei unterlagen die Banken nicht den Aufsichtsregeln wie die Rückversicherer.
Rückversicherer schützen Erstversicherer wie Axa oder Zurich gegen Großschäden und Katastrophen. Nur so können Erstversicherer bestimmte Risiken überhaupt eingehen – anderenfalls können ein schwerer Sturm in Süddeutschland oder ein Großfeuer in der Industrie eine einzelne Gesellschaft ruinieren. In den vergangenen zehn Jahren versuchten Investmentbanken, Rückversicherern Marktanteile abzujagen – durch Verbriefungen, Swaps, Wetterderivate und andere Finanzprodukte.
Dabei agierten sie nicht selbst als Investoren, sondern vermittelten das Geschäft an institutionelle Anleger. Investmentbanker sprachen offen vom Ende des Geschäftsmodells Rückversicherung.
Kessler glaubt, dass die Banken wegen der Krise mit diesem Versuch gescheitert sind. Denn der angeblich jederzeit mögliche Zugang zum Kapitalmarkt war nach der Lehman-Pleite nicht mehr da. „Der Kapitalmarkt war geschlossen.“ Wenn ein Versicherer dringenden Bedarf an frischem Geld hatte, um sein Geschäftsvolumen auszubauen, scheiterte er am Kapitalmarkt. Weder Hybridkapital noch Eigenkapital oder Anleihen waren zu platzieren. „Auch heute ist der Kapitalmarkt erst halb geöffnet für Versicherer.“
Die Rückversicherung sei dagegen stets präsent gewesen. „Die Krise hat den Kapitalmarkt diskreditiert und den Rückversicherungsmarkt als Absicherungsmittel deutlich gestärkt“, so Kessler. „Das heißt aber nicht, dass Verbriefungen von Versicherungsrisiken in den Kapitalmarkt tot sind“, sagte er mit Blick auf Katastrophenanleihen und ähnliche Papiere. „Das machen wir und andere Rückversicherer erfolgreich.“ Aber das sei nur Ergänzung zur Rückversicherung, kein Ersatz.
Bestes Beispiel für die Probleme sei Lehman gewesen. Nach dem Zusammenbruch der Bank habe sich herausgestellt, dass eine ganze Reihe von Versicherern dort Absicherungsgeschäfte hatte. „Lehman agierte wie ein Rückversicherer, aber natürlich ohne die Regulierung und ohne die Kapitalbasis“, sagte Kessler. Als die Bank unterging, hätten sich die Versicherer erfolglos an die Insolvenzverwalter gewandt. „Sie standen ohne Schutz da und mussten plötzlich Rückversicherung kaufen.“
Im Gegensatz zu den Banken sei kein einziger Rückversicherer in der Krise insolvent geworden oder habe Staatshilfe in Anspruch nehmen müssen, sagte Kessler. Den AIG-Konzern – der auch einen Rückversicherer hat und 183 Mrd. $ Staatshilfe braucht – will er nicht als Gegenbeispiel gelten lassen. „AIG ist kein Rückversicherer.“ Ben Bernanke, der Fed-Chef, habe AIG einen Hedge-Fonds genannt, der manchmal als Versicherer tätig war. „Das sehe ich auch so.“
Scor habe die Krise unbeschadet überstanden, sagte Kessler. Das Unternehmen habe schon vorher den Aktienanteil von zehn Prozent an den Kapitalanlagen deutlich heruntergefahren – auf heute vier Prozent. Deshalb gab es kaum Abschreibungsbedarf. Neu einsteigen an der Börse will Scor nicht. „Wegen Solvency II und den neuen Bilanzierungsregeln würde das sehr viel Kapital binden.“ Stattdessen hält der Rückversicherer einen großen Teil in kurzfristigen Anlagen. „Wir rechnen mit einem deutlichen Anziehen der Inflation in zwei, drei Jahren“, sagte er. Dann werde man in das neue Zinsumfeld investieren. So wolle Scor krisenfest bleiben.
Das Jahr 2008 habe gezeigt, dass Erstversicherer viel stärker auf das Insolvenzrisiko bei Geschäftspartnern achten müssten, bei denen sie Schutz einkaufen. „Die Krise sorgt deshalb auch dafür, dass die Erstversicherer ihren Rückversicherungseinkauf viel mehr streuen“, sagte Kessler. Das komme mittelgroßen Gesellschaften wie Scor zugute, die sich als Nummer fünf im Weltmarkt sieht. Scor könne den Marktanteil deshalb ausbauen.
Künftig will er innovativer als mancher Konkurrent sein. So arbeite Scor an einem Modell für Deckungen, die über drei Jahre laufen statt über ein Jahr, und damit mehr Planungssicherheit geben – bei Kunden nach der Finanzkrise hoch willkommen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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