Selbstbehalt der Vorstände in der D&O-Versicherung wird zum Problem · Brancheuneinig über Konzepte und Preise
Von Herbert Fromme, Köln
Die Talanx-Tochter HDI-Gerling ist am Freitag mit einem Konzept auf den Markt gekommen, wie sie den Selbstbehalt in der Managerhaftpflicht absichern will. Damit bieten nun alle großen deutschen Industrieversicherer eine Absicherung gegen den seit 5. August gesetzlich vorgeschriebenen Selbstbehalt im Schadensfall an – der wiederum derzeit in den Chefetagen deutscher Konzerne für große Unruhe sorgt: Die Versicherungseinkäufer der Unternehmen suchen dringend Konzepte, die finanzielle Sicherheit für ihre Führungskräfte versprechen. „Wir hören von diesen Kunden, dass sie die Hälfte ihrer Arbeitszeit für das Problem Selbstbehaltsversicherung verwenden“, sagte HDI-Gerling-Vorstand Rolf Aßhoff.
Mit der Managerhaftpflicht, die nach dem englischen Vorbild Directors‘ & Officers‘ Liability Insurance mit D&O abgekürzt wird, decken Aktiengesellschaften und andere große Firmen ihr Führungspersonal gegen Vermögensschäden ab, die sie in ihrer Berufs- oder Aufsichtstätigkeit verursachen. Diese Absicherung ist seit Jahren politisch umstritten. Manager könnten damit ihre Verantwortung abwälzen, so der Vorwurf.
Mit dem seit zwei Monaten gültigen „Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung“ führte die große Koalition daher eine verbindliche Selbstbehaltsregelung ein. Kommt es zu einem Schaden, muss ein Manager mindestens zehn Prozent und bis zu 1,5 Jahresgehältern selbst tragen. Allerdings kann der Selbstbehalt mehrfach fällig werden, wenn den Managern Fehlverhalten aus zwei oder drei Vorjahren nachgewiesen werden kann. Der Gesetzgeber ließ ausdrücklich zu, dass sich die Chefs auch gegen das Selbstbehaltsrisiko versichern können. Inzwischen bieten fast alle D&O-Versicherer entsprechende Deckungen an. Gestritten wird um die Konzepte.
Die Jahresprämien der Versicherer für die Sonderdeckung schwanken im Moment noch zwischen 200 Euro und 40 000Euro – je nach Konzept und Anbieter. Bei den Vertragsverhandlungen für das Jahr 2010 wird dieser Punkt im heiß umkämpften Markt eine zentrale Rolle spielen.
Die Vorstände wollen einerseits nicht selbst zur Kasse gebeten werden. Andererseits fürchten sie, nicht vollständig gesetzestreu zu handeln, also nicht „fully compliant“ zu sein. „Die Unternehmen wollen Klarheit und Gesetzestreue“, sagte Hartmut Mai, Chef der zuständigen Abteilung bei der Allianz Global Corporate & Specialty. D&O-Versicherer zahlten Millionen für das Fehlverhalten prominenter Vorstände – von Ex-Daimler-Chef Jürgen Schrempp über VW-Mann Peter Hartz bis zu den Haffa-Brüdern, die einst EM.TV führten. Für die Fehler von Siemens-Vorständen unter Heinrich von Pierer, die zum Bestechungsskandal geführt haben sollen, leisten Versicherer unter Führung der Allianz 100 Mio. Euro. Versicherer wie die Wiesbadener R+V verfolgen das Anrechnungsmodell. Die Summe des Selbstbehalts wird auf die allgemeine D&O-Kapazität angerechnet, der Versicherer hat also kein höheres Risiko. Pro Vorstand berechnet R+V 200 Euro als Bearbeitungsgebühr.
HDI-Gerling-Mann Aßhoff glaubt, dass solche Angebote nicht mit dem Geist des Gesetzes übereinstimmen und über kurz oder lang von der Politik oder den Gerichten gekippt würden – und geht davon aus, dass dieses Problem nur mit separater Versicherungskapazität gelöst werden kann. „Für den Vorstandsvorsitzenden eines großen Dax-Konzerns können das schon mehr als 20 000 Euro sein“, sagte Aßhoff. Die Allianz bietet beide Modelle: Separate Deckung und Anrechnung. Allianz-Manager Mai rechnet mit 25 000 Euro bis 40 000 Euro für separate Deckungen von Vorstandschefs großer Konzerne. Die Anrechnungslösung ist billiger, kostet aber immer vierstellig.
Der Streit über die Methoden wird noch andauern. „Es gibt im Markt kein eindeutiges und mehrheitsfähiges Konzept“, sagte Alexander Mahnke, Leiter der Financial Services Group beim Makler Aon. Das sei kein Wunder: „Das Gesetz lässt viele Interpretationen zu.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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