Das Jahr 2010 wird für die Industrieversicherer fallende Umsatzzahlenbringen. Schon jetzt spüren sie die Krise. Die Prämieneinnahmen hängen oftdirekt vom Umsatz der Industriekonzerne ab
VON Herbert Fromme
Es gibt schönere Arbeiten für einen Industrieversicherer als die Endabrechnung von Jahresprämien der Kunden. Für viele junge Mitarbeiter in den Spezialabteilungen der Assekuranz ist es das erste Mal überhaupt, dass sie so etwas erleben: Die Versicherungswirtschaft muss für 2009 in großem Stil Prämieneinnahmen an ihre Kunden zurückzahlen.
Für viele Deckungen der Industrie wird die Prämie als Prozentsatz des Kundenumsatzes berechnet. Er war 2009 bei fast allen Konzernen rückläufig – auch wenn sich viele Betriebe besser hielten als Anfang des Jahres 2009 erwartet.
Die Beiträge waren aber Ende 2008 auf Basis der höheren Umsätze 2008 oder sogar 2007 festgelegt und auch bezahlt worden. Die Folge: Die Versicherer müssen jetzt oder Anfang 2010 Millionenbeträge zurücküberweisen. „Wir haben eine Kombination aus Rückzahlungen und niedrigen Prämien für 2010“, befürchtet Georg Bräuchle aus der Deutschland-Geschäftsführung des Maklers Marsh. „Das gibt bei einigen Gesellschaften ein Heulen und Zähneklappern.“
Die Haftpflichtversicherung ist meist direkt abhängig vom Umsatz. Das gilt auch für Teile der Feuerversicherung, nämlich die Prämien für die Betriebsunterbrechungsdeckung. In der Transportversicherung bemisst sich die Prämie meistens nach dem beförderten Volumen. Auch Sven Erichsen aus der Geschäftsführung des deutschen Makler-Marktführers Aon Jauch & Hübener sieht mehrere negative Effekte für die Versicherer, die 2010 zusammenkommen. „Wir erleben einen Prämienrückgang und keine Erholung“, sagt er. Gleichzeitig verschlechtere sich die Schaden- und Kostenquote der Industrieversicherer. Im Jahr 2009 müssen sie für jeden Euro Prämieneinnahme rund 0,95 Euro bis 0,97 Euro für Schäden sowie Vertriebs- und Verwaltungskosten aufbringen, schätzt Erichsen. Das werde 2010 schlechter sein. Dazu kommt, dass die Prämienvorauszahlungen für 2010 aufgrund der Abrechnungen für 2008 und 2009 deutlich niedriger ausfallen. Die Furcht vor einem Umsatzeinbruch ist ein Grund, warum die Industrieversicherer sich so fest an bestehende Verträge klammern und oft zu weiteren Preisnachlässen bereit sind.
Für die Makler ist das eigentlich eine hervorragende Situation – in solchen Phasen wachsender Unsicherheit brauchen die Kunden gute Beratung und die Kenntnisse des Maklers über Anbieter auch in den Nischen. Doch hat die Lage dazu geführt, dass die Einnahmen der Makler aus Provisionen und Gebühren unter Druck geraten. Gleichzeitig müssen sie die besten Experten vorhalten. „Wir drehen jeden Cent zweimal um“, sagt Aon-Manager Erichsen. „Aber wir stellen die besten Leute ein, die wir kriegen können.“
Der Preistrend zeigt schon seit einigen Jahren nach unten. Im Jahr 2008 nahm die Assekuranz in der industriellen Sachversicherung 3,7 Mrd. Euro ein, ein Rückgang um 0,3 Prozent. Der Schadenaufwand erhöhte sich gleichzeitig um 2,1 Prozent, die Schaden- und Kostenquote belief sich auf 94,0 Prozent der Beitragseinnahmen, nach 91,6 Prozent im Jahr 2007. Dazu kommen Milliarden aus der industriellen Haftpflichtversicherung. Der Branchenverband Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft behauptet, dafür könne er keine Zahlen nennen. Außerdem sind Konzerne große Kunden der Autoversicherer. Insgesamt dürfte das Volumen der Industrie- und Gewerbeversicherung 20 Mrd. Euro bis 25 Mrd. Euro betragen.
Die größten Anbieter sind die Talanx mit ihren HDI-Gerling-Gesellschaften, Allianz Global Corporate & Specialty – beide behaupten, Marktführer zu sein. Zurich, XL, Ace, Chubb, R+V sowie Munich Re mit ihren Erstversicherern sind bedeutende Marktteilnehmer. Unter dem Namen Chartis tritt die frühere AIG Europe auf. Trotz des negativen Ausblicks für das Volumen des Jahres 2010 sieht Erichsen nicht mehr viel Spielraum für weitere Absenkungen. „Der Boden ist erreicht“, sagt er. Es sei kaum noch möglich, statt der üblichen Einjahresverträge Dreijahresvereinbarungen abzuschließen. „Laufzeiten von zwei Jahren sind aber noch möglich“, sagt Erichsen.
Sogar Preissenkungen sind noch drin, „aber nicht über den gesamten Bestand“. Für Spezialrisiken in der Pharmabranche oder der Managerhaftpflicht für Banken gehen die Preise deutlich nach oben.
Quelle: Financial Times Deutschland
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