Eigentlich sollte er schon 2008 kommen, dann 2009. Jetzt ist klar: Der große Preisanstieg in der Industrie- undGewerbeversicherung bleibt auch 2010 aus
VON Herbert Fromme
Das Großhandelsunternehmen hat trotz Krise einen Berater engagiert. Denn der Experte hatte vollmundig versprochen, gewaltige Kostensenkungspotenziale im Einkauf heben zu können. Als erstes nimmt er sich den Fuhrpark vor, dann die Büroreinigung, die Versorgung mit Büromaterial und Toilettenpapier – schließlich sind die Versicherungen dran.
„Der Berater kennt dann einen Makler, der Deckungen 30 Prozent billiger anbieten kann“, sagt Georg Bräuchle aus der Deutschland-Geschäftsleitung des amerikanischen Großmaklers Marsh. „Gerade im Mittelstand wird die Versicherung vor allem als Kostenfaktor gesehen.“
Da schaut das betreffende Unternehmen nicht mehr so genau hin, welche Deckungen es für den so günstigen Preis bekommt und welcher Versicherer das Risiko eigentlich übernimmt. Hauptsache, die Kosten werden gesenkt. „Darauf lassen sich trotzdem viele mittelständige Unternehmen ein“, sagt Bräuchle. Das können sogar Firmen mit mehr als 500 Mio. Euro Umsatz sein. Spätestens im Schadensfall zeigt sich, welcher Deckungsumfang und welche Zahlungsbereitschaft des Versicherers hinter dem günstigen Preis stehen.
Die schon 2008 für 2009 von manchen Versicherungsmanagern prognostizierten deutlichen Preiserhöhungen werden wohl auch 2010 nicht kommen. „Die Marktwende wird zur Fata Morgana“, stellt Leberecht Funk fest, Chef der Funk-Gruppe in Hamburg und Präsident des Verbandes Deutscher Versicherungsmakler (VDVM). „Wir sehen keine wirklichen Anzeichen für eine Marktverhärtung“, stimmt Manfred Klocke zu, Hauptgeschäftsführer des Maklers Ecclesia in Detmold. Unter „hartem Markt“ versteht die Branche höhere Preise, im Moment herrscht ein „weicher Markt“.
„Grundsätzlich gehen die Prämien eher noch nach unten als nach oben“, bestätigt Sven Erichsen aus der Geschäftsführung des Marktführers Aon Jauch & Hübener, der Teil des Aon-Konzerns in Chicago ist. „Die Versicherer halten um beinahe jeden Preis ihre Bestände fest.“ Das führt zu weiter sinkenden Preisen – und die treffen auch die Makler, weil sie zum Teil von Provisionen leben, einem vereinbarten Prozentsatz der Prämien. Im Geschäft mit industriellen Großkunden herrschen schon lange die Gebühren vor, die Kunde und Makler aushandeln – wie bei Rechtsanwälten oder Steuerberatern. Der Versicherer kassiert dann nur Nettoprämien ohne Provision.
„Auch unter den Maklern haben wir heftigen Wettbewerb“, sagt Aon-Mann Erichsen. „In der Regel hat ein Risk-Manager oder Versicherungseinkäufer eines Unternehmens langjährige Beziehungen zu allen Marktteilnehmern“, erläutert Erichsen. „Dann kommt irgendwann der Zeitpunkt, in dem auch die Maklerverträge wie alle Dienstleistungen neu ausgeschrieben werden.“ In diesen Ausschreibungen zeige sich, dass die Bindungswirkung auch alter Geschäftsbeziehungen nachlässt. Die Konkurrenz sorgt dafür, dass die Makler unter enormem Kostendruck stehen. Kaum ein Haus, das keine Umstrukturierung und keinen Personalabbau hinter sich hat.
Um die Großgeschäfte balgen sich nur die Marktführer. Dazu gehören neben den drei international agierenden Gesellschaften Aon, Marsh und Willis auch einheimische Champions wie Ecclesia und Funk und zunehmend regionale Unternehmen wie Südvers in Freiburg oder Leue & Nill in Dortmund.
Umsatzzahlen für den deutschen Markt veröffentlichen die drei internationalen Gesellschaften nicht. Aon dürfte knapp 150 Mio. Euro umsetzen. Manche deutsche Firma ist weniger scheu, so meldet der den Kirchen gehörende Großmakler Ecclesia in Detmold einen Umsatz von 141 Mio. Euro für 2008.
In Deutschland sind 41 000 Versicherungsmakler in dem neuen Vermittlerregister verzeichnet, früher gingen Experten von rund 20 000 aus. Die anspruchsvolle Großmaklervereinigung VDVM hat sogar nur 622 Mitgliedsfirmen.
Holger Mardfeldt vom Lübecker Makler Martens & Prahl hat Erklärungen für den Boom der Maklerzahlen. „Einige große Finanzvertriebe haben ihre Außendienstler als Makler angemeldet“, sagt Mardfeldt. Er bezweifelt, dass es sich dabei um echte Makler handelt. „Zu oft werden fertige Produktlösungen verkauft.“
Dazu kommen Maklerpools, denen sich Einzelkämpfer und kleine Firmen anschließen. Auch hier sieht er die Gefahr, dass fertige Finanzangebote vorgegeben werden und die neutrale Beratung zu kurz kommt.
Unabhängige kleinere Maklerhäuser leiden nicht nur unter fallenden Prämien im Industrie- und Gewerbegeschäft, sondern auch in der Lebensversicherung. Mit Ausnahme der temporär boomenden Policen gegen Einmalbeitrag ist das Neugeschäft eingebrochen. Das könnte Zusammenschlüsse bei kleineren Firmen zwischen drei und zehn Mitarbeitern beschleunigen, während sie bei den Marktführern als eher unwahrscheinlich gelten. Ein weiterer Grund für einen Fusionsdruck bei den kleinen Firmen sind die von EU und deutschem Gesetzgeber eingeführten Beratungs- und Dokumentationspflichten. Damit haben viele kleinere Makler Schwierigkeiten.
VDVM-Präsident Funk moniert die Reglementierungswut. „Wir brauchen Handlungssicherheit“, verlangt Funk und warnt vor neuen Regulierungswellen. Schließlich will die EU-Kommission erneut die Vermittlerrichtlinie überarbeiten, mit bislang unbekanntem Ausgang. Aber wahrscheinlich wird sich der generelle Trend, die Honorarberatung zu fördern und den Verkauf mit Provision zu belasten, auch auf EU-Ebene widerspiegeln. Bei der in Deutschland im Privatkundenbereich kaum verbreiteten Honorarberatung zahlt der Kunde den Vermittler über ein festes Honorar, beim Provisionsverkauf kommt die Courtage vom Versicherer.
„Eigentlich ist die Debatte ein alter Hut“, sagt Erichsen von Aon. „Aber sie ist trotzdem sehr segensreich. Denn es geht um echte Dienstleistungswerte, und dafür stehen die Makler.“
Die Makler sind gegen rigide staatliche Vorgaben wie in Finnland und Dänemark. „Im Geschäft mit Privat- und Gewerbekunden sollte die Courtage beibehalten werden“, sagt Hans-Georg Jenssen, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des VDVM. Auf Zweifel an der Unabhängigkeit der Beratung habe die Branche mit Transparenzleitlinien geantwortet.
Quelle: Financial Times Deutschland
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