Anwälte wittern in der Krise der Schiffsfonds ein Geschäft. Manche arbeitenvor allem für das eigene Wohl – nicht für den Anleger
VON Patrick Hagen
und Katrin Berkenkopf
Wer das Internet zum Stichwort „Schiffsfonds“ durchsucht, stößt derzeit auf massenhaft Werbung von Anlegeranwälten. Zahlreiche Kanzleien buhlen um Mandanten unter enttäuschten Besitzern von Schiffsbeteiligungen. Sie locken mit der Aussicht, bei voller Kapitalerstattung aus den geschlossenen Fonds auszusteigen. Dabei sind längst nicht alle Angebote seriös. Einige Juristen sehen die gebeutelten Fondsanleger vor allem als neue Einnahmequelle.
Es ist kein Wunder, dass sich viele Investoren gern an den Strohhalm klammern, den die Anwälte ihnen reichen. Viele Fonds leiden stark unter der weltweiten Schifffahrtskrise. Anleger sollen Ausschüttungen zurückzahlen oder frisches Kapital nachschießen. Spätestens seitdem einige Fonds pleitegegangen und große Emissionshäuser in Schieflage geraten sind, sind die Zeichner verunsichert.
Spezialisierte Anlegeranwälte versprechen, die Rückabwicklung der Beteiligung zu erreichen. „Im Erfolgsfall wird der Anleger so gestellt, als hätte er den Fondsanteil nie gezeichnet“, erklärt Jan-Henning Ahrens von der Bremer Kanzlei KWAG. Das könne auch den Ersatz entgangener Gewinne aus einer anderen Geldanlage einschließen. Für den Ausstieg aus einem geschlossenen Fonds gibt es vor allem zwei Ansatzpunkte: zum einen Fehler im Emissionsprospekt – etwa zu niedrig kalkulierte Kosten für den Betrieb des Schiffes. Das Problem bei Prospektfehlern ist, dass Ansprüche nach drei Jahren verjährt sind. Besser sind die Aussichten bei Beratungsfehlern. Ahrens kennt viele Fälle, in denen Berater ihren Kunden eine Schiffsbeteiligung als risikofreies Investment verkauft haben. Auch versteckte Provisionen, die der Vermittler vom Emissionshaus erhält und dem Kunden verschweigt, können Ansprüche auslösen.
Viele Anwälte legen auf der Suche nach verärgerten Anlegern allerdings fragwürdige Methoden an den Tag: Sie schicken gezielt allen Kommanditisten eines Fonds Warnbriefe mit dem Hinweis, dass ihre Beteiligung in Gefahr sei und sie sich anwaltlich beraten lassen sollten. Oft liegt schon eine Vollmacht bei, die der Anleger nur noch zu unterschreiben braucht.
So ein unaufgefordertes Angebot ist nicht nur unseriös, sondern vermutlich auch unzulässig, sagt Ulrike Busse, Referentin für Rechtsfragen beim Verband Geschlossene Fonds (VGF), der Lobbyorganisation der Beteiligungsbranche. Schließlich dürfen Anleger nicht um konkrete Mandate werben.
Findige Kanzleien haben hierfür einen Ausweg gefunden – und sogenannte Anlegerschutzvereine gegründet. Diese laden zu Informationsabenden ein und verschicken Massenrundschreiben an Anleger. Die Vereine präsentieren sich als unabhängige Verbraucherschutzorganisationen. In der Regel steckt allerdings eine Kanzlei dahinter. Anwalt Ahrens: „Die meisten Vereine verschleiern, dass damit eine Kanzlei um Mandanten wirbt.“
Für Anwälte bietet sich ein lukratives Geschäft. Sie bekommen nicht nur Kontakt zu potenziellen Klienten, sondern die Anleger müssen auch noch einen Mitgliedsbeitrag bezahlen. „Die Gebühr wird in den meisten Fällen nicht mit später anfallenden Anwaltsgebühren verrechnet“, kritisiert Ahrens.
Das Mittel der Rundschreiben an Anleger verteidigt er allerdings. „Während die Anleger sich untereinander nicht kennen, können die Geschäftsführer des Fonds alle Beteiligten anschreiben und leicht eine bestimmte Willensbildung erreichen.“ Es sei wichtig, dass Anleger sich zusammenschließen, da die Politik der Fondsgeschäftsführer oft nicht in ihrem Interesse sei.
Viele Anwälte suggerieren Anlegern, sie könnten ohne viel Ärger aus ihrer Beteiligung aussteigen, sobald der Fonds in Probleme gerät. „Aus einer Krise des Fonds allein lässt sich nicht ableiten, dass Ansprüche bestehen“, betont Ahrens. „Es lässt sich auch nicht pauschal sagen, dass die Chancen für Anleger gut sind.“
VGF-Rechtsexpertin Busse empfiehlt geschädigten Anlegern, sich einen auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Fachanwalt zu suchen. Sie weist auch auf das Kostenrisiko hin. Spätestens wenn ein Streit vor Gericht geht, sei Schluss mit kostengünstigen Pauschalangeboten, da der Anwalt dann nach der Gebührenordnung gemäß dem Streitwert abrechnen müsse.
Bei den Emissionshäusern ist der Ärger über die Anlegeranwälte groß, öffentlich äußern will sich aber kaum jemand. Der Geschäftsführer eines großen Fondshauses, der nicht genannt werden will, klingt verbittert: „Das ist ein richtiges Geschäftsmodell.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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