Mittelgroßer Versicherer wächst in Osteuropa · Neue EU-Eigenkapitalregelnhelfen bei der Expansion
Von Herbert Fromme, Köln
Der Kölner Versicherungskonzern Gothaer übernimmt die polnische Gesellschaft Polskie Towarzystwo Ubezpieczen (PTU) in Warschau. Nach FTD-Informationen hat die Gothaer zwei von drei PTU-Großaktionären ein bindendes Angebot gemacht, das die beiden nur unter hohen Strafzahlungen noch ablehnen könnten. In dem Angebot bewertet Gothaer die PTU – eine der zehn größten Gesellschaften des Landes – mit 70 Mio. Euro für 100 Prozent.
Die Expansion nach Osteuropa folgt auf mehrere vergebliche Versuche der Gothaer, durch Fusionen oder Übernahmen im Heimatmarkt kräftiger zu wachsen. Konzernchef Werner Görg verhandelte 2008 erfolglos mit der Bâloise über ein Zusammengehen vor allem im deutschen Markt. Gespräche gibt es auch immer wieder mit der Signal Iduna.
In Polen hat sich der mittelgroße deutsche Versicherungsverein nun mit dem Chemiekonzern Ciech und dem Großaktionär Techwell geeinigt, die knapp 46 Prozent und 29 Prozent an PTU halten. Der dritte Großaktionär Polish Re hat das Angebot nicht angenommen. Er besitzt 23 Prozent und hatte offenbar selbst versucht, PTU zu übernehmen. Daneben hat der 1990 gegründete Versicherer noch sieben weitere Eigner. „Wir führen Verhandlungen mit allen Aktionären“, sagte eine Gothaer-Sprecherin. Zu Details wollte sie nichts sagen.
Mit 4 Mrd. Euro Prämie ist die Gothaer in einer unangenehmen Mittelgröße. Sie ist weit von den Marktführern Allianz mit 28 Mrd. Euro oder Generali mit 15 Mrd. Euro entfernt, kann sich aber nicht einfach auf Nischen zurückziehen. Die teuren Systeme in der IT oder der Kapitalanlage könnten ohne Probleme auch für eine größere Einheit arbeiten. Deshalb der Zukauf, dem weitere folgen könnten – zum Beispiel in Rumänien.
Im Gegensatz zum weitgehend gesättigten Westeuropa gilt Osteuropa bei Versicherern als Wachstumsmarkt. Deshalb sind die europäischen Branchenführer Allianz, Axa und Generali sowie Munich Re/Ergo sehr aktiv in dem Markt, daneben große lokale Gesellschaften aus Österreich und Deutschland. Uniqa, Vienna Insurance Group, Talanx und Signal Iduna haben Töchter. Weitere mittelgroße Versicherer dürften der Gothaer folgen.
Gerade Polen ist für westeuropäische Versicherer attraktiv. Das Land hat eine große Bevölkerung, einen rasch wachsenden Markt und ein stabiles Rechtssystem.
Für Versicherer in der EU ist die Expansion ins Ausland auch wegen der neuen EU-Eigenkapitalregeln Solvency II wichtig, die 2013 in Kraft treten. Firmen, die in mehreren Ländern arbeiten, benötigen für dasselbe Prämienvolumen weniger Eigenkapital als Unternehmen, die nur in einem Land tätig sind. Dieser sogenannte Diversifikationseffekt kann hohe Summen ausmachen.
Die künftige Gothaer-Tochter PTU kommt auf 107 Mio. Euro Prämie im Jahr und einen Marktanteil von 2,02 Prozent in der Sachversicherung. Davon stammen 70 Prozent aus der Autodeckung. Die Gesellschaft gilt als finanzschwach und hat Kapitalbedarf, den die Gothaer nach dem Kauf befriedigen muss.
Die Chemiegruppe Ciech versucht seit Jahren, PTU zu verkaufen. Sie verhandelte zuletzt 2008 mit Interessenten, darunter die Generali. Bisher wurden die Verhandlungen durch einen Rechtsstreit mit dem Fahrzeugbauer und PTU-Aktionär FSO überschattet, der sich bei einer Kapitalerhöhung übergangen gefühlt hatte. Im März urteilte ein Gericht in Warschau gegen FSO.
Quelle: Financial Times Deutschland
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