Nach der Lehman-Krise galt der deutsche IPO-Markt als tot. Vor Kurzem habensich erste Beteiligungshäuser hervorgewagt und ihre Kandidaten aufs Parkettgeschickt. Jetzt hofft die Branche auf eine neue IPO-Welle
Anleger können sich derzeit nicht beschweren. Das Börsenjahr 2010 hat gut angefangen. Mit dem Kabelnetzbetreiber Kabel Deutschland, dem Chemikalienhändler Brenntag, der Bekleidungskette Tom Tailor und dem chinesischen Armaturenhersteller Joyou haben sich vor Ostern bereits vier Unternehmen aufs deutsche Parkett gewagt – und das innerhalb einer Woche.
Nach der Lehman-Pleite galt der Markt für IPOs (Initial Public Offerings), der Erstausgabe von Aktien am Kapitalmarkt, lange Zeit als mausetot. Doch mit den erfolgreichen Börsengängen vor Ostern sollte das Schlimmste vorbei sein, hofft zumindest die Branche. Vor der Finanzkrise haben viele Investoren Geld in Unternehmen gesteckt und Anteile übernommen, um von deren Entwicklung zu profitieren. Das nötige Kapital dafür sammelten sie zuvor mit Hilfe von Fonds ein, in die vermögende private oder institutionelle Anleger investierten. Die pochen jetzt auf ihren Profit. Die Beteiligungshäuser müssen reagieren und den Ausstieg planen.
Neben dem kompletten Verkauf einer Firma ist der Gang aufs Parkett eine Möglichkeit, um Bares für die Befriedigung der Originalinvestoren zu gewinnen. „Einige Gesellschaften, die vor mehreren Jahren größere Unternehmen gekauft haben, überlegen, ob sie ihre Beteiligung demnächst über einen Börsengang wieder verkaufen“, sagt Frank Thiäner, Partner bei der Anwaltskanzlei Pöllath und Partners, die sich darauf spezialisiert hat, Private-Equity-Gesellschaften bei Beteiligungsverkäufen zu beraten. „Es würde nicht überraschen, wenn einige Unternehmen diese Möglichkeit in diesem Jahr noch nutzen.“
Der Gang an die Börse ist derzeit auch deshalb attraktiver, weil Private-Equity-Gesellschaften wegen der Finanzkrise kaum noch an Kredite zur Finanzierung neuer Übernahmen kommen. Damit sind größere Weiterverkäufe an andere Finanzinvestoren praktisch unmöglich, die Häuser sind darauf angewiesen, dass die Erholung der Aktienmärkte lukrative Börsengänge wieder möglich macht. „Die Erfolge haben die Branche optimistisch gestimmt und gezeigt, dass IPOs wieder erfolgreich verlaufen können“, sagt Anwalt Thiäner.
Nur verhalten äußert sich hingegen Joachim von der Goltz, Leiter des Aktienemissionsgeschäfts im deutschsprachigen Raum bei JP Morgan. Die Bank begleitet Unternehmen bei IPOs und gibt am Ende die Aktien an Anleger aus. „Die Schuldenkrise der südeuropäischen Staaten und die unsicheren Kapitalmärkte haben die Investoren vorsichtig werden lassen“, warnt er. Deutschland gilt als Spätzünder. Während die USA und asiatische Länder bereits seit Ende 2009 einen Boom erleben, hinkt der deutsche IPO-Markt hinterher. „Die global agierenden institutionellen Investoren orientieren sich eher an den wachsenden asiatischen Märkten, während regionale europäische Investoren noch zurückhaltender sind, in risikohöhere Börsengänge zu investieren“, sagt der Banker.
Dass die Rezession noch nicht ausgestanden ist, zeigt auch die Zurückhaltung der Kandidaten, die schon nach der Börse geschielt haben. Die Berliner Immobilienfirma GSW hat kürzlich ihren IPO aufgrund der geringen Nachfrage auf Anlegerseite verschoben. Der Druckdienstleister Flint stoppte die Pläne wegen zu hoher Schwankungen an den Kapitalmärkten. Auch die HK Food Gruppe, bei der Milch-Mogul Theo Müller und der frühere Bäckereiunternehmer Heiner Kamps Mehrheitsgesellschafter sind, will vorerst die Finger von der Börse lassen.
„Seit der Krise achten institutionelle Investoren insbesondere auf Qualität und Krisenresistenz und erst in zweiter Hinsicht auf besondere Wachstumschancen“, erläutert JP-Morgan-Mann von der Goltz. Bei den Vorbereitungen wird jeder Schritt detailliert geprüft – von der Auswahl der Banken, die die Aktien ausgeben, über die Erstellung eines genauen Businessplans bis zur Roadshow, bei der Management und Banken Käufer für ihre Aktien gewinnen wollen. „Ein Börsengang ist in der Regel erfolgreich, wenn das betreffende Unternehmen finanziell auf sicheren Füßen steht, die regulatorischen Anforderungen erfüllt und sich seine Geschäftsidee von den bereits aktiennotierten Mitbewerbern unterscheidet“, sagt Michael Salcher, Koordinator und Berater für das Segment Börsengang beim Beratungsunternehmen KPMG.
Nicht jede Branche hat dabei gleich hohe Chancen auf Erfolg auf dem Parkett. „Krisenresistent sind Konsumgüter wie etwa Nahrungsmittel“, sagt von der Goltz. Unternehmen mit konjunkturabhängigen Produkten in der Automobil- und Stahlindustrie hätten dagegen aktuell kaum eine Chance, an der Börse veräußert zu werden. Eine Weile standen erneuerbare Energien im Zentrum des Interesses. „Bei erneuerbaren Energien ist wegen des Booms der letzten Monate und Jahre aber Vorsicht geboten“, sagt Thiäner: „Hier sind Börsengänge keine Selbstläufer.“
Anne-Christin Gröger
Quelle: Financial Times Deutschland
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