Der Aufschwung in der Schifffahrt hat alle überrumpelt. So richtig freuen mögen sich die einst so selbstbewussten Reeder aber nicht. Zu groß ist die Angst, dass der Boom bald wieder abebbt
Von Kathrin Werner, Hamburg,
und Patrick Hagen, Köln
Containerbauer in China haben ein Problem. Eins, von dem niemand gedacht hätte, dass es das Land je erreicht: Fachkräftemangel. In der Krise seit Ende 2008 haben sie die Produktion von Containern vollständig eingestellt. Alte Boxen wurden verschrottet. Jetzt geben Reedereien und Boxleasingfirmen eilig neue Bestellungen auf. Doch die Schweißer fehlen. Die Wanderarbeiter haben sich einen neuen Job gesucht in Chinas Fabriken.
Der Containerpreis hat sich zum Index für den Aufschwung der Schifffahrt entwickelt. Und der Index läuft heiß: Die Preise für Boxen sind auf das höchste Niveau seit 20 Jahren gestiegen. 2750 Dollar kosten sie – Ende 2009 waren es 1594 Euro. Der Welthandel läuft wieder.
Vor einem Jahr war sich noch fast die gesamte Branche einig, dass 2010 noch einmal richtig schlimm werden würde. Doch nun schreiben die größten europäischen Linienreeder wie Maersk, CMA CGM oder Hapag-Lloyd schon wieder schwarze Zahlen. Die Erholung kam so schnell, dass sie alle überrumpelt hat, nicht nur chinesische Containerfabrikanten. Als Ende vergangenen Jahres plötzlich die Ladungsmengen stiegen, mussten die Reeder Container an der Kaimauer stehen lassen – so sehr hatten sie ihre Kapazitäten reduziert.
Im Krisenjahr 2009 sah die Lage der Branche ganz anders aus: Das größte deutsche Schifffahrtsunternehmen Hapag-Lloyd stand vor der Pleite, ebenso die französische Großreederei CMA CGM. Der dänische Großkonzern A.P. Möller-Maersk schrieb zum ersten Mal in seiner Geschichte rote Zahlen. Die Reeder haben gecharterte Schiffe zurückgegeben, eigene in Buchten rund um den Globus stillgelegt oder verschrottet. Zu Hochzeiten lagen mehr als 600 Frachter vor Anker. Heute sind es nur noch 174.
„Die Linien verdienen wieder Geld, das ist die Grundlage, auf der alles aufbaut“, sagt der Schifffahrtsexperte Jürgen Dobert. Doch die Probleme der Branche seien nicht ausgestanden. „Die Markterholung ist da, aber die Krise ist noch längst nicht bewältigt.“ Das gilt vor allem für die Schiffsfinanzierung. Früher war es üblich, dass Privatinvestoren sie über Fonds finanziert haben. Jetzt finden sich für viele der Schiffe, die vor der Krise geordert wurden, keine Anleger mehr.
Das belastet die Banken, die die Bestellungen vorfinanziert haben. Bislang haben die Banken stillgehalten, noch gab es keine massenhaften Notverkäufe von Schiffen. Schließlich hätte eine Welle von Verkäufen zu extrem niedrigen Preisen auch enorme Abschreibungen zur Folge. Die negative Seite: Banken wie die HSH Nordbank oder die Deutsche Schiffsbank sind so sehr mit den Problemen aus ihrem bestehenden Portfolio beschäftigt, dass sie im Neugeschäft kaum aktiv sind.
Auch die einst so selbstbewussten Reeder sind leise geworden, keiner feiert die schwarzen Zahlen. Schließlich ist nicht klar, ob der Aufschwung nachhaltig ist. „Wir sind unsicher, ob es so gut weitergeht“, sagt CMA-CGM-Deutschlandchef Reinhard Peschel. „Unsere Kunden machen ihre Prognosen auch nur noch von einem Monat zum nächsten.“
Der Grund für die Erholung könnte auch sein, dass die Kunden der Reeder, die exportierenden und importierenden Unternehmen, ihre Lager nach der Krise wieder auffüllen. Dann droht der Aufschwung bald wieder zu enden, fürchtet etwa Harald Kuznik, Chef der Schifffahrtssparte der HSH: „Es ist zu erwarten, dass sich der Aufschwung nur abgeschwächt fortsetzt.“ Das dritte Quartal wird noch positiv, glaubt Stefan Behn, Vorstand des Hamburger Terminalbetreibers HHLA, weil die Reeder in den Monaten die Güter für das Weihnachtsgeschäft transportieren. „Im vierten Quartal werden wir dann sehen, ob der Aufschwung echt ist oder nur ein kurzfristiger Boom.“
Geht es nach dem Containerpreisindex, sieht es jedenfalls gut aus. Die Kisten sind heiße Ware: „Allein Hapag-Lloyd hat schon rund 15 Schiffe eingechartert, nur um Leercontainer nach Asien zu transportieren“, sagt ein Hamburger Schiffsmakler. „Unser Lager für Leercontainer ist völlig leergefegt“, sagt HHLA-Manager Behn. „Dafür läuft die Containerreparatur sehr gut.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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