Konzern bietet Versicherern Einblick in interne Datenbank an · Suche nach neuen Einnahmequellen
Von Herbert Fromme, Köln
Der Versicherungsgroßmakler Aon sucht wie die gesamte ertragsschwache Branche verzweifelt nach neuen Einnahmequellen und geht dabei völlig neue Wege: Das Chicagoer Unternehmen hat führenden Industrieversicherern angeboten, gegen eine hohe Gebühr das interne Informationssystem „Global Risk Insight Platform“ (Grip) zu nutzen. Dort sammelt Aon alle Angebote von Versicherern für spezifische Risiken in bestimmten Märkten.
Grip bietet damit einen Überblick über Markttrends. Ein Versicherer könnte sehen, zu welchen Preisen Konkurrenten bereit sind, in Deutschland oder den USA Feuer- oder Haftpflichtrisiken zu übernehmen. Die Daten sollen anonymisiert weitergegeben werden.
Nach Angaben aus Versicherungskreisen verhandelt die Allianz-Tochter Allianz Global Corporate & Specialty mit Aon über die Nutzung, eine Grundsatzentscheidung sei aber noch nicht gefallen. Auch andere Versicherer wie Talanx, Axa und Zurich seien angesprochen worden, hieß es. Die Allianz wollte nicht Stellung nehmen.
Das Angebot ist pikant. Eigentlich sollte Grip den Aon-Maklern und ihren Kunden aus der Industrie den Vorteil des besseren Marktüberblicks verschaffen – nicht der Marktgegenseite, den Versicherern.
Doch die Not der Großmakler Aon, Marsh und Willis ist so groß, dass sie nach allen Möglichkeiten fahnden, neue Einnahmen zu generieren, denn seit Jahren sinken die Preise in der Industrieversicherung. Die Versicherer stört das wenig, weil zugleich die Schadensbelastung moderat ist. Doch den Maklern hilft das nicht. Sie leben zum Großteil von prozentualen Provisionen und leiden unter heftigem Umsatz- und Ertragsdruck.
Außerdem waren den drei Großmaklern nach einem Skandal in den USA umsatzgetriebene Sonderprovisionen (Contingent Commissions) für Jahre verboten. Seit Anfang 2010 sind sie wieder erlaubt, aber weiterhin verpönt.
Mit Contingent Commissions hatten die Makler jahrelang bei Versicherern je nach dem Umsatz, den sie im Laufe eines Jahres brachten, eine Sonderprovision kassiert. Kritiker monierten, dass die Makler dadurch versucht waren, Geschäft bei den Gesellschaften zu platzieren, bei denen sie die höchsten Provisionsaussichten hatten – anstatt bei dem für den Auftraggeber besten Anbieter. Selbst innerhalb der Maklerschaft ist die Methode umstritten. Willis, die weltweite Nummer drei, fährt sogar eine Kampagne gegen Sonderprovisionen, die nach Ansicht der Gesellschaft den Markt verzerren und die Kunden benachteiligen.
„Die jetzt geforderten Informationshonorare sollen die Einnahmeausfälle aus Contingent Commissions ausgleichen“, sagte der Vorstand eines international agierenden Versicherers. „Die Makler versuchen, rund 2,5 Prozent der Prämien als zusätzliche Provision durchzusetzen, ob als Prozentsatz oder feste Summe.“
In Allianz-Kreisen heißt es, eine prozentuale Zahlung für Informationssysteme komme nicht infrage, höchstens eine Gebühr. Provisionen in der Industrieversicherung liegen bei rund 15 Prozent der Prämien, die exakte Höhe hängt von der Sparte ab. Sehr große Industriekonzerne zahlen den Maklern direkt eine Beratungsgebühr und erhalten von den Versicherern Nettoverträge. Die Beiträge enthalten einen Nachlass in Höhe der nicht geflossenen Provisionen.
Marsh versucht bereits seit Jahren, eine zusätzliche Provision von 2,5 Prozent durchzusetzen. „Wir sehen das als Servicegebühr vor allem bei Nettoverträgen“, sagt Georg Bräuchle, Mitglied der deutschen Marsh-Geschäftsleitung. Schließlich leiste der Makler Arbeit, die anderenfalls der Versicherer erledige.
Industriekunden sehen alle Formen von Zusatzvergütungen mit großer Skepsis. „Natürlich zahlt der Kunde am Ende diese Summen“, sagt Klaus Greimel, Versicherungschef beim Energieriesen Eon. „Wenn ein Versicherer dafür zahlen muss, dass er Informationen über einen bestimmten Markt erhält, ist das eigentlich ein Armutszeugnis“, kommentiert er das Aon-Projekt.
Die Industrie fürchtet, dass Sonderzahlungen zu Interessenkonflikten beim Makler führen könnten – zulasten des Kunden. „Wir brauchen unbedingte Transparenz.“ Greimel ist Vorstandsmitglied des Deutschen Versicherungs-Schutzverbands (DVS), einer Lobbyorganisation der deutschen Industrie in Versicherungsfragen. Der DVS opponiert seit Jahren gegen Sonderprovisionen, die seiner Ansicht nach zu Fehlsteuerungen einladen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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