Verbriefungen erleben Comeback

Kapitalmarkt übernimmt wieder mehr Versicherungsrisiken. Sturmdeckungengefragt

Von Herbert Fromme

Vermögensverwalter in den USA beobachten die Wetterentwicklung im Golf von Mexiko und der Karibik sehr genau. Dabei geht es nicht nur um ihre Segeltörns oder den Sommerurlaub in Florida. Große institutionelle Anleger haben hohe Wetten auf das Wetter abgeschlossen. Ein schwerer Hurrikan kann sie Millionensummen kosten, eine sturmfreie Saison bringt Erträge, die deutlich über den normalen liegen.

Die Versicherungsverbriefungen, im Branchenjargon Insurance Linked Securities oder ILS, haben den Rückschlag durch die Kreditkrise überwunden. In den zwölf Monaten von Juli 2009 bis Juni 2010 emittierten Erst- und Rückversicherer in 20 Transaktionen Katastrophenanleihen in Höhe von 4,6 Mrd. Dollar, ergeben Berechnungen des Rückversicherungsmaklers Aon Benfield. Das ist eine Steigerung um 170 Prozent gegenüber dem Jahr davor, das seinerseits einen Rückgang von 71 Prozent erlebte.

„Zurzeit stehen 13,5 Mrd. Dollar an Katastrophenanleihen aus“, sagt Swiss-Re-Expertin Maria Wittman. Weil 2008 weniger Anleihen aufgelegt wurden, könne das Volumen temporär zurückgehen, bevor es wieder deutlich ansteigt.

Versicherungsverbriefungen sind eine Alternative zur traditionellen Rückversicherung. Aber die alte Rivalität zwischen beiden ist lange verschwunden. Stattdessen geben Munich Re, Swiss Re und andere selbst Anleihen aus – und versuchen, als Arrangeur solcher Transaktionen für Dritte eine führende Stellung zu erreichen. Ihre Rivalen sind Investmentbanken, vor allem Goldman Sachs, und große Makler. Gedeckt werden meistens Sturmrisiken. Aber auch Erdbeben, Sterblichkeitsrisiken und sogar Autoversicherungen werden verbrieft.

Das System ist immer dasselbe. Ein Versicherer wie Allianz oder Zurich will sich für ein Jahr oder zwei Jahre gegen ein bestimmtes Spitzenrisiko absichern – wenn ein Hurrikan mit Windstärke acht durch Florida fegt, Flüsse in England über die Ufer treten oder ein Erdbeben eine japanische Stadt trifft, sollen 200 Mio. Dollar fließen.

Für die Absicherung wird eine Zweckgesellschaft gegründet. Investoren zahlen die 200 Mio. Dollar an die Zweckgesellschaft, die sie möglichst risikofrei anlegt. Der Versicherer gibt seinerseits eine Prämie an die Zweckgesellschaft. Aus der eher niedrigen Verzinsung der risikoarm angelegten 200 Mio. Dollar wird durch die Prämie der hohe Zins an die Investoren gedeckt.

Bleibt der Sturm in der vereinbarten Zeit aus, lösen die Parteien die Zweckgesellschaft auf. Sie verkaufen die Kapitalanlagen, die Investoren erhalten ihr Geld zurück. Oder der Sturm schlägt zu. Dann veräußert die Zweckgesellschaft ihre Investments sofort, zahlt den Versicherer aus und wird danach liquidiert. Die Anleger verlieren ihr Geld.

Damit das funktioniert, brauchen alle Beteiligten einen verlässlichen Dritten, der misst, ob der vereinbarte Auslöser für die Zahlung auch wirklich erreicht wurde – ob also der Wind tatsächlich Stärke acht erreichte. Um diese Rolle konkurrieren Spezialfirmen wie Risk Management Solutions oder Applied Insurance Research. In Europa haben Marktteilnehmer 2009 die Firma Perils AG in der Schweiz gegründet, die als neutrale Partei Katastrophendaten aufbereitet. Gründer waren Allianz, Axa, Generali, Groupama, der Rückversicherungsmakler Guy Carpenter, Munich Re, Partner Re, Swiss Re und Zurich Financial Services. Perils misst die Schwere von Naturkatastrophen und stellt einen entsprechenden Index auf.

Quelle: Financial Times Deutschland

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