Die Kreditversicherer profitieren vom wirtschaftlichen Aufschwung. Aberfrisches Kapital im Markt drückt die Preise. Das Desaster in Japan und hoheStaatsverschuldungen berühren die Anbieter nicht
Herbert Fromme
Die Allianz-Konzernführung in München war begeistert. Satte 445 Mio. Euro operativen Gewinn lieferte der Pariser Kreditversicherer Euler Hermes für 2010 ab. Er gehört zu 70 Prozent dem Versicherungsriesen aus München. Keine Rede mehr von der Krise der Kreditversicherer. Der Abschwung hatte 2009 beim Weltmarktführer zu einem mageren Gewinn von 13 Mio. Euro geführt. Selbst die 145 Mio. Euro aus dem Jahr 2008 konnte Euler Hermes jetzt fast verdreifachen. Weltweit kam die AllianzGruppe auf 1,8 Mrd. Euro Prämieneinnahmen allein aus der Kreditversicherung, 5,7 Prozent mehr als 2010.
Die meisten Konkurrenten melden ähnlich frohe Botschaften. „Der Branche geht es nach zwei schwierigen Jahren wieder besser“, berichtet Peter Ingenlath, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Amsterdamer Kreditversicherers Atradius. Ingenlath ist für das deutsche Geschäft zuständig und steht dem Fachausschuss Kreditversicherung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft vor. „Wir brauchten diese Erholung auch“, sagt Ingenlath. „Für 2011 haben wir noch keine Branchenzahlen. Aber für Atradius war auch der Jahresanfang positiv.“
Im deutschen Markt nahmen alle Gesellschaften 2010 zusammen 1,5 Mrd. Euro ein, eine Steigerung um satte acht Prozent. Und sie verdienten prächtig: Nur 0,6 Mrd. Euro mussten die Kreditversicherer für Schäden aufwenden. Im Jahr davor waren es noch 1,1 Mrd. Euro. Selbst unter Einrechnung von Vertriebs- und Verwaltungskosten kamen sie nur auf Gesamtausgaben von 56 Prozent der Prämieneinnahmen. Ihnen blieben 44 Prozent als technischer Gewinn. 2009 waren es neun Prozent.
Die deutschen Kreditversicherer ernten die Früchte des wirtschaftlichen Aufschwungs. Sie haben ein sehr spezielles Geschäftsmodell, das direkt an den Zyklen der Konjunktur hängt – und deshalb im Boom hohe Gewinne sichert, aber zu kräftigen Verlusten in wirtschaftlichen Krisenzeiten führt.
Liefert eine Fabrik tonnenweise Papier an eine Druckerei, gibt sie in der Regel einen kurzfristigen Warenkredit. Denn die Druckerei zahlt nicht sofort, sondern mit einer Frist von vier Wochen oder mehr. Geht die Druckerei in der Zeit zwischen Lieferung und Zahlung pleite, hat der Papierhersteller einen Verlust. Gegen dieses Risiko sichern Euler Hermes, Atradius, Coface, R+V und andere Gesellschaften ihre Kunden ab. Hat die Papierfabrik eine Kreditversicherung abgeschlossen, erhält sie zumindest einen Teil des Ausfalls vom Versicherer.
Es geht um gewaltige Summen. Zu jedem Zeitpunkt haben deutsche Hersteller und Dienstleister Forderungen von mehr als 300 Mrd. Euro gegeneinander. Das ist mehr, als ihnen Banken an kurzfristigen Krediten zur Verfügung stellen. Trotz dieser Summen ist das im Wesentlichen problemlos für die Wirtschaft – es sei denn, das System gerät wie in der Finanzkrise in ein ernsthaftes Ungleichgewicht.
Dazu kam es infolge der Lehman-Pleite 2008. Die Versicherer reagierten auf die rasche Talfahrt der Weltwirtschaft mit der Reduzierung von Deckungen, manchmal drastisch und ziemlich pauschal – sehr zum Ärger von Industrieunternehmen, die sich verraten fühlten. Der Vorwurf: Die Kreditversicherer hätten willkürlich ganze Branchen zu schlechten Risiken erklärt und deshalb Lieferungen an alle Firmen in diesen Segmenten nicht mehr gedeckt.
Die Assekuranz wies das zurück, fand aber kein Gehör. Nach intensiver Lobbyarbeit von Industrieverbänden führte die Bundesregierung eine staatliche Top-Up-Deckung ein. Inzwischen hat sich gezeigt, dass die Branche recht hatte. Bis Ende Oktober 2010 haben deutsche Unternehmen ganze 497 Verträge mit einem Deckungsvolumen von 130 Mio. Euro abgeschlossen. Sie stammen vor allem aus der Bau- und Stahlbranche. Zum Vergleich: Das Deckungsvolumen der Kreditversicherer lag bei 312 Mrd. Euro.
„Wir hören von der Industrie und den Verbänden, dass sie aus heutiger Sicht verstehen, was wir getan haben“, sagt Branchensprecher Ingenlath. Inzwischen ist die Top-Up-Lösung Geschichte. Die Kreditversicherer können die Nachfrage befriedigen.
Es gibt sogar schon wieder ein leichtes Überangebot. Denn die Erholung sorgt dafür, dass mancher Industriebetrieb weniger Deckung kauft, weil er keine Pleite fürchtet. Gleichzeitig kommt frisches Geld in den inzwischen wieder lukrativen Kreditversicherungsmarkt.
Das geschieht auf zwei Ebenen: Erstens treten im Geschäft mit Endkunden wenige neue Anbieter auf. In Deutschland ist seit Ende 2009 auch die staatliche belgische Gesellschaft Delcredere auf dem Markt. Mit Erfolg expandiert seit Jahren die Wiesbadener R+V. Dazu kommen die Kreditrückversicherer, bei denen sich alle Anbieter ihrerseits Deckung holen. Hier hat sich die Kapazität deutlich erhöht. Neben Hannover Rück und Munich Re ist das Züricher Schwergewicht Swiss Re nach einem Teilrückzug 2009 wieder an den Start gegangen. Neue Anbieter aus London und von den Bermudas haben den Kreditversicherern geholfen, die nötigen Kapazitäten bereitzustellen.
Die großen Anbieter haben die Krise zu Kostensenkungs- und Umbauprojekten genutzt. Euler Hermes begann 2010 mit seinem Excellence-Programm, das auf eine Reduzierung der Beschäftigtenzahl um 570 bis 2013 hinausläuft. Atradius hat von 3800 auf 3300 Stellen abgebaut. Coface hat seit 2010 einen neuen Chef und eine neue strategische Ausrichtung – unter anderem ließ die Gesellschaft den Plan fallen, das große Wissen über Hunderttausende von Firmen in Form von Unternehmensratings auf den Markt zu bringen und selbst zur Ratingagentur zu werden.
Schließlich lässt sich mit dem Kerngeschäft genug Geld verdienen. „Ich bin optimistisch, was die Entwicklung der Weltwirtschaft angeht“, sagt Atradius-Manager Ingenlath. „Wir glauben nicht, dass die Ereignisse in Japan oder die Probleme mit der Staatsverschuldung das Wachstum bremsen werden.“ Höhere Insolvenzzahlen und steigende Schadenbelastungen für die Kreditversicherer seien unwahrscheinlich.
Entscheidend im Konkurrenzkampf könnte werden, wie weit die Gesellschaften internationale Präsenz zeigen können – also auch Risiken bei Lieferungen nach China, Brasilien und anderen aufstrebenden Märkten absichern. Wichtig ist die Präsenz mit guten Analysten vor Ort, aber auch die Möglichkeit, in diesen Regionen Geschäft zu zeichnen. China gilt als wichtiger Markt. Atradius sieht sich dort als Marktführer. Ende März hat Rivale Euler Hermes eine Partnerschaft mit der China Pacific Insurance (PCIP) vereinbart, an der die Mutter Allianz mit 2,8 Prozent beteiligt ist.
PCIP ist der Kreditversicherer Industriekunden, Euler Hermes bringt das Expertenwissen mit und agiert als Rückversicherer für PCIP. „Chinesische Unternehmen können ihre Forderungen aus Lieferungen und Leistungen jetzt besser absichern“, kommentiert Euler-Hermes-Chef Wilfried Verstraete.
Quelle: Financial Times Deutschland
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