Privatversicherer empört über Koalition

Regierung will den gesetzlichen Kassen mehr Leistungen gestatten // Geschäftder Privaten mit Zusatztarifen bedroht

Ilse Schlingensiepen , Berlin

Die privaten Krankenversicherer (PKV) fürchten, dass die Bundesregierung ihre Position im Wettbewerb mit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dramatisch schwächt. „Der aktuelle Entwurf für ein Versorgungsgesetz würde zu neuen Übergriffen führen, mit denen die Krankenkassen als privilegierte öffentlich-rechtliche Körperschaften in einen funktionierenden privatwirtschaftlichen Markt eindringen“, warnte Reinhold Schulte, Vorsitzender des PKV-Verbands und Chef der Signal Iduna.

Hintergrund sind Pläne der Regierung, nach der die Kassen ihre sogenannten Satzungsleistungen künftig ausweiten könnten. Der allergrößte Teil des Leistungskatalogs gesetzlicher Versicherer ist strikt festgelegt und für alle Kassen gleich. Sie können aber in einzelnen, gesetzlich geregelten Bereichen selbst entscheiden, ob sie ihren Kunden zusätzliche Angebote machen. Diese Satzungsleistungen gelten dann für alle Versicherten.

Laut Gesetzentwurf sollen die Kassen bald zusätzliche Leistungen bei der Zahnbehandlung anbieten dürfen. Das wäre ein „klarer Angriff auf die PKV“, sagte Schulte bei der PKV-Jahrestagung. Zur Absicherung der Kosten beim Zahnersatz verkauft die PKV viele Zusatzversicherungen an Kassenpatienten. Ende 2010 hatte die Branche 12,7 Millionen Zahnpolicen im Bestand. Dieses Geschäftsfeld ist jetzt bedroht. „Niemand wird beim Zahnersatz dieselbe Leistung nochmals privat absichern“, sagte PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach.

Zudem prüfe die Bundesregierung, ob die GKV Verträge mit sogenannten nicht zugelassenen Leistungserbringern abschließen dürfe, kritisierte Schulte. Das heißt: Die gesetzlichen Kassen könnten ihren Versicherten auch die Versorgung durch Privatkliniken oder durch Privatärzte anbieten. Auch das lehne die PKV entschieden ab, sagte Schulte.

Die PKV attackiert die aktuellen Pläne von Schwarz-Gelb auch deshalb so energisch, weil die Regierung – anders als erwartet – die Handlungsspielräume der gesetzlichen Kassen bei Wahl- und Zusatztarifen nicht nennenswert eingeschränkt hat. Jetzt stehe die Koalition vor einem weiteren „Sündenfall“, sagte Leienbach. „Sie erschwert die Wahl- und Zusatztarife nicht, sondern findet ein anderes Ventil, um die Freiräume der GKV weiter auszubauen.“

Schulte, dessen Gesellschaft Signal Iduna einer der Hauptsponsoren des Fußballmeisters Borussia Dortmund ist: „Erlauben Sie mir als Dortmunder die Anmerkung: Schwarz-Gelb geht auch anders.“ Positiv sei, dass die Regierung gesetzlich Versicherten den Wechsel in die PKV wieder erleichtert habe und dass die Privatversicherer von den Rabatten profitierten, die Krankenkassen und Pharmaindustrie aushandeln.

Im Wettbewerb der Versicherungssysteme seien auch die Provisionen ein wichtiges Instrument, sagte Schulte. Übertreibungen müssten aber vermieden werden. Die von einzelnen Gesellschaften gebotenen extrem hohen Provisionen waren in die öffentliche Kritik geraten – schließlich werden sie von den Kunden selbst über ihre Beiträge bezahlt. Außerdem sind hohe Provisionen ein Anreiz für manche Vermittler, Kunden in die PKV zu holen, die wegen ihrer prekären finanziellen Lage eigentlich gar nicht dorthin gehören.

Der Verband könne das Problem nicht regeln, weil dies gegen das Kartellrecht verstoßen würde, sagte Schulte. Deshalb setze die Branche auf eine „maßvolle gesetzliche Regulierung“. Wie sie seiner Ansicht nach aussehen soll, sagte er nicht.

Quelle: Financial Times Deutschland

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