AOK Rheinland/Hamburg startet Brillenversicherung // Konkurrenz fürPKV-Wachstumsfeld
Ilse Schlingensiepen , Köln
Die gesetzlichen Krankenkassen machen den privaten Krankenversicherern (PKV) immer stärker Konkurrenz. Die AOK Rheinland/Hamburg baut ihr Angebot an Zusatzpolicen weiter aus und bietet ihren Versicherten jetzt auch einen eigenen Brillentarif an. „Wir wollen mit unserem neuen Angebot günstiger sein als die privaten Versicherer und uns auch im Service abheben“, sagte Vorstandsmitglied Rolf Buchwitz der FTD.
In ihrem Kerngeschäftsfeld Vollversicherung, aus dem mehr als 70 Prozent der Prämieneinnahmen stammen, stehen die gut 40 PKV-Unternehmen seit Längerem unter Druck – sowohl durch hausgemachte Probleme als auch durch fehlenden politischen Rückhalt. Viele sehen daher in Zusatzversicherungen das einzige zukunftsträchtige Wachstumsfeld. Allen Hoffnungen der Branche zum Trotz hat die schwarz-gelbe Bundesregierung bisher aber nichts getan, um die PKV zumindest in diesem Bereich zu stärken. Sie erlaubt den gesetzlichen Krankenkassen weiterhin, ihren Kunden eigene Zusatzversicherungen anzubieten.
Diese Entwicklung könnte zudem neue Dynamik bekommen: Nach den Plänen der Regierung für die nächste Gesundheitsreform sollen die Kassen ihre Satzungsleistungen ausweiten können. Neben dem gesetzlich definierten Leistungskatalog können die Krankenkassen ihren Kunden in bestimmten Bereichen zusätzliche Angebote machen. In diesen Bereichen, zum Beispiel der Zahnbehandlung, werden die gesetzlich Versicherten dann keine privaten Zusatzpolicen mehr kaufen, fürchtet die PKV.
Die AOK Rheinland/Hamburg war 2007 als erste gesetzliche Kasse mit eigenen Zusatzpolicen in das Territorium der Privaten eingedrungen und hatte ihren Versicherten Tarife zur Auslandsreisekrankenversicherung, dem Zahnersatz und anderen Leistungen angeboten. Sie stützte sich dabei auf die gesetzlichen Regelungen zu den sogenannten Wahltarifen der Kassen. Alle Versuche der PKV, das Vorgehen gerichtlich zu stoppen, sind gescheitert. Inzwischen sind viele andere Kassen dem Beispiel der größten rheinischen Kasse gefolgt. So bieten alle AOK-Anbieter ihren Kunden Auslandsreisekrankenversicherungen an.
Bislang hat die AOK Rheinland/Hamburg 260 000 Zusatzpolicen verkauft. Den größten Anteil machen die Auslandspolicen mit 200 000 aus, gefolgt von 20 000 Tarifen für Zahnersatz und Zahnprophylaxe. Angebote wie die Unterbringung im Einbettzimmer im Krankenhaus oder die Chefarzt-Behandlung werden von den Kunden dagegen deutlich seltener nachgefragt.
Jetzt folgt mit der Brillenversicherung ein neuer Vorstoß. Für einen Beitrag von 6,70 Euro im Monat erhalten die Versicherten alle drei Jahren einen Anspruch auf einen Zuschuss von bis zu 250 Euro zur Brille. Die Kasse erstattet die Kosten, wenn ein Augenarzt oder ein Optiker die Notwendigkeit einer Brille zum Ausgleich einer Sehbehinderung oder -schwäche bestätigt haben.
Außerdem übernimmt sie auch Kosten für die Entspiegelung oder Tönung der Gläser. „Die Erfahrungen aus unseren Wahltarifen zeigen, dass unsere Kunden gerade derartige Zusatzleistungen wünschen und wählen“, sagte Buchwitz. Reparaturen sind dagegen über die Brillenversicherung nicht gedeckt. „Das wäre nicht kalkulierbar.“ Die Krankenkassen sind gesetzlich dazu verpflichtet, Wahltarife so zu gestalten, dass sie selbst tragen und nicht aus den allgemeinen Beitragseinnahmen quersubventioniert werden. Vertreter der PKV bezweifeln immer wieder, dass sich die Kassen tatsächlich an diese Vorgaben halten.
„Alle Tarife, die wir haben, tragen sich selbst“, betonte der AOK-Vorstand. Er fürchtet nicht, dass die neue preisgünstige Brillenversicherung durch eine übermäßige Leistungs-Inanspruchnahme unter Druck gerät. Grund für seinen Optimismus ist die Entwicklung in den anderen Zusatzversicherungen. „Wir stellen in allen Tarifen ein normales Leistungsgeschehen fest.“
Die Krankenkasse setzt auf den kontinuierlichen Ausbau des Angebots an Zusatzversicherungen und prüft, welche weiteren Leistungsbereiche dafür infrage kommen. „Wir machen auf diesem Weg weiter“, kündigte Buchwitz an.
Quelle: Financial Times Deutschland
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