Mit teilweise fragwürdigen Methoden versuchen die Anbieter, Kosten fürReparaturen zu drücken
Verkehrsrechtler Lars Kasulke ärgert sich. In den vergangenen Wochen ist er mehrmals mit einem Autoversicherer aneinandergeraten, der grundsätzlich alle Ansprüche von Geschädigten abwimmelt und damit die Regulierung zumindest hinauszögert. „Die wollen wissen, wo und zu welchem Anlass der Kunde das Auto gekauft hat und warum“, schimpft er. Das geht den Versicherer nichts an. Der Gipfel für Kasulke war jedoch ein Schreiben, in dem die gleiche Gesellschaft vom Geschädigten wissen wollte, wie schnell er bei einem Auffahrunfall gefahren sei. „Dabei stand in der Schadenmeldung unmissverständlich, dass der Zusammenstoß an einer roten Ampel passiert ist“, sagt Kasulke. „Der Versicherer will nicht zahlen und spielt auf Zeit.“
Das Beispiel mag ein Extremfall sein. Es zeigt aber den Trend in der Branche: Die Kfz-Versicherer werden bei der Schadenregulierung immer knausriger. Seit Jahren schreiben die Anbieter technisch rote Zahlen, sind aber wegen der Kapitalanlagen betriebswirtschaftlich noch im Plus. Angefangen hatte alles 2004 mit einer Preisoffensive der Allianz, die ihren Marktanteil ausbauen wollte. Allerdings hat der Münchner Konzern die Marktführerschaft gemessen an den versicherten Fahrzeugen inzwischen an die HUK-Coburg abgegeben. Die Schäden sind zahlreich und werden immer teurer. Mit neuen Strategien wollen die Versicherer gegensteuern. Eine davon: die komplette Schadenabwicklung aus einer Hand.
„Die Gesellschaften sind dabei, die gesamte Schadenregulierung an sich zu ziehen“, sagt Marc Niersbach, Fachanwalt für Verkehrsrecht aus Kempten. Die HUK-Coburg betreibt mit anderen Versicherern wie der Gothaer, VHV und Generali ein Netz mit etwa 1200 Partnerwerkstätten. Nach einem Autounfall soll der Versicherte seinen Wagen direkt in einen dieser Betriebe bringen. Der Vorteil für den Versicherer: „Durch die Zustellung beschädigter Fahrzeuge an bestimmte Werkstätten generieren wir mehr Geschäft und können Preise für Großkunden durchsetzen“, sagt Holger Brendel, Sprecher der HUK. „Das macht die Schadenregulierung günstiger.“ Aber auch der Kunde kann profitieren. „Die Preisersparnis geben wir an die Kunden weiter und können 20 Prozent Prämienrabatt auf Kaskotarife gewähren, wenn Verbraucher einen Tarif mit Werkstattbindung wählen“, sagt er.
Die Allianz verfolgt ein anderes Modell, setzt aber ebenfalls auf eine schnelle Schadenabwicklung durch den Versicherer. Dafür kooperieren die Münchner bei der Abrechnung mit Markenwerkstätten von VW, BMW und anderen Autoherstellern. „Kunden können sich nach einem Unfall aussuchen, ob sie ihren beschädigten Wagen in der Herstellerwerkstatt reparieren lassen“, sagt Sprecher Christian Weishuber. Der Vorteil: „Die Reparatur geht schnell, der Kunde hat nach wenigen Tagen sein Auto wieder vor dem Haus stehen.“
Das mag auf den Versicherten verlockend wirken. Was aber von den Gesellschaften als Kundenfreundlichkeit verkauft wird, ist in Wirklichkeit vor allem ein Mittel, um Kosten zu sparen.
Die Betreiberin des versichererkritischen Internetportals Captain Huk, das Rechtsstreitigkeiten von Unfallopfern mit Kfz-Versicherern im Netz veröffentlicht, warnt davor, die Schadenabwicklung allzu schnell der Assekuranz zu überlassen. Denn hier können Betroffene viel Geld verschenken. So haben Geschädigte etwa Anspruch auf einen Rechtsanwalt und oft auch auf die Auszahlung einer Wertminderung für das beschädigte Fahrzeug. Unterm Strich können hier durchaus mehrere tausend Euro zusammenkommen, die der Versicherer gern sparen will und solche Ansprüche deshalb lieber nicht erwähnt.
Captain Huk kritisiert zudem, dass die Versicherer den Kunden die Kontrolle über den Regulierungsprozess entzögen. „Der Geschädigte hat unter anderem Anspruch darauf, einen Gutachter selbst auszuwählen“, heißt es auf den Seiten von Captain Huk. „Schaltet der Versicherer einen eigenen Experten ein, kann es durchaus sein, dass der den Schaden geringer einstuft, als er eigentlich ist – im Interesse des Versicherers.“
Ein weiteres Problem tritt bei der Werkstattbindung auf. „Bei kostenlosen Hol- und Bringservices weiß der Geschädigte teilweise nicht, wo und unter welchen Bedingungen sein Fahrzeug repariert wird“, sagt Anwalt Kasulke. Unter dem hohen Kostendruck leide zudem die Qualität. „Wenn eine Werkstatt einen Auftrag für viel weniger Geld ausführen soll, kann man sich schon fragen, ob die Reparatur qualitativ ausreichend ist.“
Das sehen die Versicherer ganz anders. „Der Kunde erhält eine schnelle, hochwertige Reparatur nach Herstellervorgabe“, sagt Allianz-Sprecher Weishuber. „Dabei werden modernste Reparaturtechnik und Originalteile verwendet.“
Anne-Christin Gröger
Quelle: Financial Times Deutschland
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