EU-Kommission will Vorschriften bei Versicherungen verschärfen // Keingenerelles Provisionsverbot // Branche opponiert
Mark Schrörs, Brüssel, und Herbert Fromme, Köln
EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier will die Vorschriften zum Vertrieb von Versicherungen in Europa erheblich verschärfen. Versicherungsvertreter und Makler sollen künftig dem Kunden vor Vertragabschluss offenlegen müssen, für wen sie arbeiten und wie hoch die Provision ist, die sie erhalten.
Die Offenlegung der Vergütung in Euro und Cent sei nötig, „um die Interessenkonflikte zwischen Verkäufer und Käufer eines Versicherungsprodukts zu entschärfen“, heißt es in einem unveröffentlichten Entwurf zur Überarbeitung der EU-Finanzvermittlerrichtlinie IMD. Er liegt der FTD vor. Barnier muss den Entwurf noch mit den anderen 26 Kommissaren abstimmen, am Ende entscheiden EU-Parlament und Mitgliedsstaaten.
Mit dem Entwurf will die Kommission die Regeln für die Vermittlung EU-weit stärker vereinheitlichen und die Verbraucher vor rein provisionsgetriebenen Abschlüssen schützen. Die Vorgabe soll zunächst für alle Lebensversicherungen gelten, bei denen Provisionen für einen Abschluss Tausende Euro ausmachen können. Bei anderen Angeboten ist vorgesehen, dass Versicherer und Vermittler die Provision nur auf Nachfrage des Kunden offenbaren müssen. Nach drei Jahren Übergangszeit soll die Offenlegungspflicht für alle Policen gelten.
Ein generelles Provisionsverbot, wie es die Kommission angedacht hatte, ist vom Tisch. Danach hätten Lebensversicherungen nur noch gegen Honorar, das der Kunde zahlt, verkauft werden dürfen. In Nordeuropa gibt es bereits ein Provisionsverbot für Lebensversicherungen, andere EU-Länder bereiten ähnliche Vorschriften vor.
Die vom Brüsseler Kommissar Barnier geplanten Regeln würden den Versicherungsvertrieb radikal ändern. Die deutsche Assekuranz und die Interessenvertreter der Finanzvermittler fürchten, dass Kunden die Provisionen – die den Umsatz des Vertreters oder Maklers ausmachen – mit seinem Gewinn oder Einkommen verwechseln.
„Die Offenlegung führt zum Feilschen der Kunden um Anteile an der Provision“, monierte Michael Heinz, Vorsitzender der Vertreter- und Maklervereinigung Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute. Kein anderer Wirtschaftszweig müsse dem Kunden darlegen, was ein Vertriebler einnimmt. „Kein Mensch kommt auf den Gedanken, einen Autoverkäufer zur Offenlegung seiner Provision zu drängen“, sagte Heinz weiter.
Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist kritisch. „Eine generelle Offenlegung der konkreten Vermittlervergütung lehnen wir ab“, sagte Jörg von Fürstenwerth, Vorsitzender der GDV-Hauptgeschäftsführung. Da Vergütungssysteme in den verschiedenen Vertriebswegen sehr unterschiedlich seien, helfe die Zahl dem Kunden nicht beim Produktvergleich.
Der GDV tritt bei Lebensversicherungen für die Angabe einer Kostenquote ein, die auch für Fonds und andere Finanzangebote gilt.
Ein generelles Provisionsverbot sieht der Barnier-Entwurf nicht vor. Davor hatte die deutsche Versicherungsbranche große Angst, weil es das in Deutschland verbreitete Vertriebsmodell infrage gestellt hätte. Der Entwurf des Binnenmarktkommissars sieht nun lediglich vor, dass Vermittler nur dann keine Provisionen oder Ähnliches annehmen dürfen, sofern sie angeben, den Kunden „auf unabhängiger Basis“ zu informieren.
Die EU-Verbraucherschutzbehörde Bureau Européen des Unions de Consommateurs (BEUC) begrüßt generell, dass die Kommission die Transparenzvorschriften verschärfen will. „Wir wünschen uns aber zumindest bei Lebensversicherungen ein generelles Provisionsverbot“, teilte das BEUC mit.
Quelle: Financial Times Deutschland
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